Schon jetzt ist der Klimawandel in der Schweiz deutlich zu spüren: Seit 1850 stieg die Jahresdurchschnittstemperatur um 1,8 Grad Celsius. Das ist rund doppelt so viel wie die 0,85 Grad im globalen Mittel. Die Folgen: Die Gletscher schwinden, die Schneefallgrenze steigt, es kommt häufiger zu extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen und Hochwassern.
Ein neuer Bericht des Forums ProClim der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz listet nun die zu erwartenden Folgen im Detail auf. Er beleuchtet die Herausforderungen, denen sich speziell die Schweiz im Zuge des Klimawandels gegenüber sieht. Zudem zeigt er Handlungsfelder und Chancen auf, die sich aus der Abkehr von fossilen Brennstoffen ergeben.
Schneefallgrenze steigt
Besonders hart wird es den Tourismus treffen: Bis Ende des Jahrhunderts werde sich die Schneesaison um vier bis acht Wochen verkürzen und die Schneefallgrenze um 500 bis 700 Meter höher liegen als heute, erklärte Klimaforscher Reto Knutti von der ETH Zürich in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Der Mitautor des ProClim-Berichts prognostiziert schwierige Zeiten für viele Skigebiete in mittleren Lagen, beispielsweise im Berner Oberland.
Aber auch die Landwirtschaft wird sich auf grosse Herausforderungen einstellen müssen. Neben der Wasserknappheit werden Pflanzenkrankheiten zum Problem. Schädlinge können sich wegen der wärmeren Temperaturen länger vermehren und stärker ausbreiten. Der Anbau von Winterweizen und Kartoffeln wird durch die Erwärmung erschwert.
Sommerliche Trockenheit
Auch die Städteplanung wird sich künftig auf Hitzewellen einstellen und Wärmeinseln in Städten mildern müssen. Die Hitzewelle im Sommer 2003 führte Schätzungen zufolge zu rund 1000 vorzeitigen Todesfällen in der Schweiz. Im Zuge des Klimawandels wird künftig häufiger mit solch extremen Wetterereignissen gerechnet werden müssen.
Durch das Schmelzen des Permafrosts in den Alpen kommt es zu mehr Steinschlägen und Erdrutschen. Mit dem Rückgang der Gletscher geht zudem ein wichtiger Wasserspeicher zunehmend verloren, was Alternativen nötig macht, um die zunehmende sommerliche Trockenheit zu überbrücken.
Welche Zukunft hat die Schweiz?
«Wir müssen handeln», betonte OcCC-Präsidentin und CVP-Nationalrätin Kathy Riklin an einer Medienkonferenz in Bern, an der der Bericht vorgestellt wurde. Der Klimawandel werde die Schweiz nicht kalt lassen. Zwar müssten die CO2-Emissionen global gesenkt werden, es brauche aber auch das Engagement lokaler Akteure. Besonders auch, um Anpassungen an die veränderten Bedingungen vorzunehmen.
Die Empfehlungen der Forscher und Gutachterinnen reicht von der Förderung energieeffizienter Technologien über bessere Raumplanung, um Pendelwege zu verkürzen, bis hin zu klimabewusstem Konsum. «Dieser Bericht setzt einen neuen Massstab. Er ist ein Muss für jede Person, die sich mit der Zukunft der Schweiz auseinandersetzt», so der Berner Klimaforscher Thomas Stocker.
Mit dem Klimaabkommen von Paris hat sich die Staatengemeinschaft geeinigt, die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dafür müssen die Treibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts jedoch global auf Netto Null gesenkt werden. Derzeit sind durchaus Zweifel angebracht, ob dieses ambitionierte Ziel erreicht wird.