Freitag, der 18. Oktober 1940. Geschäftiges Treiben in der Werkstatt der Strafanstalt in Sarnen (OW). Es ist kurz vor zwei Uhr morgens.
Ein Polizist führt Hans Vollenweider hinein. Wenige Minuten später ist Vollenweider tot. Hingerichtet mit der Guillotine, wegen des Mordes am Polizisten Alois von Moos.
Vollenweider ist der letzte, der in der Schweiz in einem Zivilprozess zum Tod verurteilt und exekutiert wird.
Sein Gnadengesuch ans Kantonsparlament: chancenlos. Und das, obwohl allen Parlamentariern bewusst gewesen sein musste, dass die Todesstrafe nur wenig später, mit Inkrafttreten des neuen eidgenössischen Strafrechtes im Jahr 1942, in der ganzen Schweiz verboten sein würde. Obwohl selbst die Witwe des getöteten Polizisten um Gnade bat.
Drei Menschen hat Vollenweider auf dem Gewissen. Vor Gericht stand er indes nur für die Tötung von Alois von Moos.
Der perfide Plan: Ein Opfer, das niemand vermisst
1936. Hans Vollenweider, geboren 1908 in Zürich, tritt eine Haftstrafe wegen Raubüberfalls an. Zweieinhalb Jahre muss er verbüssen. Doch die Prognose des Psychiaters ist schlecht. Vollenweider bleibt in Haft. Bis er von einem Sonntagsurlaub im Juni 1939 nicht mehr in die Strafanstalt zurückkehrt.
Die Polizei sucht nach Vollenweider. Vollenweider sucht nach seinem ersten Opfer. Jemanden, dessen Identität er stehlen könnte. Jemanden, dessen Verschwinden nicht auffallen würde. Eine alleinstehende Person.
Vollenweider annonciert in einer Zeitung, sucht nach einem Chauffeur. Seine Wahl fällt schliesslich auf Hermann Zwyssig.
Im Verhörprotokoll beschreibt Vollenweider die Tat später so: «Ich zögerte immer wieder. Losgefahren war ich mit dem Gedanken, möglichst schnell zu handeln, sobald sich eine günstige Gelegenheit bieten würde. Ohne den Motor auszuschalten forderte ich Zwyssig auf, er solle nun das Steuer übernehmen. Er war damit einverstanden. Von schräg hinten schoss ich Zwyssig in den Kopf.»
Auf der Flucht überfällt Hans Vollenweider den Briefträger Emil Stoll. Stoll stirbt. Jetzt wird landesweit nach Vollenweider gefahndet.
Entscheidender Hinweis aus der Wäscherei
Hans Vollenweider wird nun zu Hermann Zwyssig. Unter falscher Identität findet er in Sachseln (OW) eine Stelle als Portier im Hotel Engel.
Doch er erregt Aufmerksamkeit. Definitiv auf die Spur kommt ihm die Polizei schliesslich dank einer Anzeige aus einer Zürcher Wäscherei. Vollenweider hatte dort blutige Hemden waschen lassen.
Alois von Moos wird aufgeboten. Der 23-Jährige ist erst seit kurzem Dorfpolizist. Nervös sei ihr Vater gewesen, erzählt seine Tochter in einem SRF-DOK-Film von 2007. Sei in der Wohnung auf und ab gegangen, habe schliesslich seinen Revolver eingepackt.
Von Moos fährt ins Hotel Engel. Im Verhörprotokoll sagt Vollenweider später: «Aufgewacht bin ich wegen eines Klopfens, gleichzeitig schien mir, es habe jemand gerufen. Ich stand auf, zog die Hose über, steckte die Pistole in die Tasche und öffnete die Tür. Da stand ein Mann, der sich im Lauf des Gesprächs als Polizist zu erkennen gab.»
Der Polizist will Vollenweider kontrollieren, es kommt zu einem Handgemenge; ein Schuss fällt. Von Moos stirbt später im Spital.
Verteidiger spricht von Affekthandlung
War es Totschlag? War es Mord? Von der Antwort auf diese Frage hängt für Vollenweider nun alles ab. Sein Verteidiger argumentiert, Vollenweider habe angesichts der imposanten Statur des Dorfpolizisten von Moos wohl «den Kopf verloren». Eine Handlung im Affekt also.
Der Vollenweider hat nicht den Kopf verloren. Aber er wird ihn verlieren!
Ein Augenzeuge beschreibt die Reaktion des Staatsanwaltes im DOK-Film folgendermassen. Den Richtern zugewandt habe dieser gesagt: «Nein, nein, meine Herren. Der Vollenweider hat nicht den Kopf verloren. Aber er wird ihn verlieren!»
Die Guillotine war nur ausgeliehen
Der Staatsanwalt sollte Recht bekommen. Das Gericht befindet Hans Vollenweider des Mordes schuldig und verurteilt ihn zum Tode.
Vollenweider und sein Anwalt legen Rekurs ein. Der neue Prozess beginnt nur 14 Tage später. Am Urteil ändert er nichts. Mit Vollenweider wird, im wahrsten Sinne des Wortes, kurzer Prozess gemacht.
Eine Guillotine hatte man im Kanton Obwalden damals übrigens nicht. Diese musste man sich erst im Kanton Luzern ausleihen.
Quellen:
Kriminalfälle, die die Schweiz bewegten (5/7). Hans Vollenweider - die letzte zivile Hinrichtung (SRF DOK, 2007)
Eidgenössische Volksinitiative 'Todesstrafe bei Mord mit sexuellem Missbrauch'