Die Entdeckung der Antibiotika war ein Segen. Plötzlich konnten bakterielle Infektionen bekämpft werden, die früher zu schweren Erkrankungen oder gar zum Tod führten. Doch Bakterien passen sich an. Sie können Resistenzen entwickeln.
Wenn resistente Bakterien nun Infektionen verursachen, sind sie schwierig oder gar nicht mehr zu behandeln. Um diese in den Griff zu bekommen, müssen sogenannte Reservepräparate gewählt werden – die ihrerseits zu Resistenzen führen können.
Mehr Resistenzen bei Nutztieren
Wie beim Menschen, so auch beim Tier: In der Schweiz hat der Gesamtvertrieb in der Nutztiermedizin mengenmässig zwar abgenommen. Doch der Einsatz sogenannter «moderner Antibiotika» erhöht sich. Das sind nichts anderes als Reserve-Antibiotika. Das heisst: Die Tiere in der Milch- und Fleischproduktion können immer weniger mit klassischen Antibiotika geheilt werden.
Doch woran liegt das? Es gibt zwei Anwendungsbereiche von Antibiotika in der Tiermedizin. Einerseits im konkreten Krankheitsfall eines Tiers. Anderseits kann ein Medikament auch präventiv eingesetzt werden – bei der ganzen Herde, auch ohne Krankheitsfall. Und je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto mehr entwickeln sich Keime, die gegenüber einem oder mehreren Medikamenten resistent werden.
Datenbank für Antibiotika-Einsatz
In der Schweiz werden dazu noch keine Daten erhoben. Es gibt einzig eine Vertriebsstatistik der Grossverteiler. Es ist deswegen auch nicht festzustellen, in welchem Ausmass die Schweizer Bauern die Medikamente präventiv einsetzen. «Wenn man das Problem der Antibiotika-Resistenzen in den Griff bekommen will, muss man wissen, wo, wie viel, warum und welche Antibiotika eingesetzt werden», sagt Regula Kennel vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.
Eine Datenbank soll nun her. In der Wintersession wird das Geschäft im Ständerat besprochen. Hatte sich in der Debatte im Nationalrat der Bauernverband noch aus Datenschutz-Gründen dagegen gewehrt, liegt nun ein detaillierterer Vorschlag vor, hinter dem auch die Bauern stehen können.
Auch Thomas Jäggi, Stellvertretender Leiter des Bereichs Viehwirtschaft beim Bauernverband, spricht sich dafür aus: «Die heutige Statistik nützt uns bezüglich Resistenzen nicht.» Zwar sei in letzter Zeit die Sensibilisierung für das Thema bei Bauern und Tierärzten grösser. Doch eine Datenbank sei nötig, um zu sehen, zu welchem Zweck die Medikamente verabreicht werden.
Bio-Fleisch braucht halb so viel
Dass im Bereich der Tiermedizin durchaus am Antibiotika-Einsatz gespart werden könnte, zeigt die Bio-Nutztierhaltung. Vor allem im Milchtierbereich würde auf Bio-Höfen rund die Hälfte weniger als in konventionellen Betrieben eingesetzt, erklärt Andreas Käsermann von Bio Suisse. «Die Tiere erhalten Auslauf, leben nicht in Massenhaltung, was ihrer Gesundheit förderlich ist.»
Bio-Ferkel würden beispielsweise nach sechs statt vier Wochen von der Muttermilch abgesetzt, sagt er. Dadurch seien sie stabiler, was ihre Immunität gegenüber Krankheiten betrifft. «Bioschweine sind wegen Auslaufhaltung robuster und haben weniger Atemwegserkrankungen», so der Sprecher von Bio Suisse. Sein Vorschlag für weniger Antibiotika in der Landwirtschaft? «Bei der Züchtung sollte konsequent auf Gesundheitsmerkmale und nicht nur auf die Leistung geachtet werden», plädiert Käsermann.
Österreich: Mehr Fleisch, weniger Antibiotika
In der Schweiz werden jährlich zwischen 53 und 57 Tonnen Antibiotika an Nutztiere verfüttert. Im Verhältnis zur Masse an Nutztieren entspricht dies 68,8 Milligramm pro 1000 Tonnen Tiere. Dies liegt zwar unter dem Wert von grossen Fleischproduktionsländern wie Deutschland, Frankreich oder Ungarn, wo die Haltungsbedingungen andere sind.
Doch in vergleichbaren Staaten ist dieser Wert viel tiefer: In Österreich beispielsweise wird mehr Fleisch produziert, aber gar etwas weniger Antibiotika eingesetzt. Schweden produziert nur etwas weniger, setzt aber deutlich weniger Antibiotika ein. Besonders die skandinavischen Länder erreichen sehr tiefe Werte – sie haben bereits vor Jahren entsprechende Massnahmen umgesetzt.
Schweizweite Strategie in Arbeit
Dass bei der gegenseitigen Wechselwirkung von Antibiotika-Abgabe und -Resistenzen Handlungsbedarf besteht, merkt man nun auch in der Schweiz. Nebst der Datenbank, die aller Voraussicht nach im Ständerat durchkommt, braucht es laut Bundesamt für Gesundheit BAG eine schweizweite Strategie im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen.
Diese wird derzeit zusammen mit den Bundesämtern für Veterinärwesen, Landwirtschaft und Umwelt sowie mit Tierärzten und Bauern ausgearbeitet und soll Ende 2015 einsatzbereit sein.
(Sendebezug: Echo der Zeit, 25.11.2014, 19 Uhr)