Krisen, Konflikte, offene Kriege: Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Das seien nicht einfach «fremde Händel», die uns nichts angehen, sagt Botschafterin Heidi Grau. Rund 60 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht. «Das betrifft uns ganz direkt», betont sie. Deshalb liege es auch im Interesse der Schweiz, Einfluss bei der Lösung von Konflikten zu nehmen. «Damit die Menschen rasch in ihre Heimat zurückkehren können.»
Schweiz als Vermittlerin
Heidi Grau ist Chefin der Abteilung Menschliche Sicherheit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Dort hat man sich in den letzten Jahren viel Wissen über die so genannte Friedensmediation angeeignet.
Bei der Mediation gehe es um politisch-diplomatische Arbeit, erklärt Grau. Dabei werde eine dritte Partei – also etwa die Schweiz – auf Wunsch der Konfliktparteien unterstützend tätig. Ziel sei ein Prozess, der zu einem Abkommen führe, das den Konflikt beende oder verhindere, so die Diplomatin.
Sichtbar war die Schweizer Friedensdiplomatie etwa im vergangenen Jahr, als Bern den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa inne hatte. Botschafterin Heidi Tagliavini ist es dabei gelungen, im Auftrag der OSZE eine Vermittlerrolle zwischen der Ukraine und den prorussischen Separatisten einzunehmen. Schliesslich hätten die Gespräche in ein Abkommen gemündet, das beide Seiten akzeptiert hätten, so Grau.
Viel läuft hinter den Kulissen
Allerdings sind solch sichtbare Erfolge selten. Hinter den Kulissen laufe aber mehr als man denke, beteuert die Botschafterin. Da gehe es auch um sogenannten Mediations-Support. Dazu gehört etwa die Ausbildung in Verhandlungsführung, in Verfassungsrecht oder in der Hilfe bei technischen Details zu Abkommen und Verträgen.
Solche Dienstleistungen seien zunehmend gefragt und nach Möglichkeit wolle die Schweiz sie übernehmen. Bloss brauche es dafür eine genügend grosse Personaldecke. Deshalb wolle man in Zukunft schon angehende Diplomatinnen und Diplomaten gezielt in Mediationsarbeit ausbilden, betont Grau. Denn schliesslich nütze Friedensförderung allen; auch der Schweiz.
Vermittlertätigkeit der Schweiz
Frankreich/Algerien
Schon Anfang der 1960er Jahre engagiert sich die Schweiz als Vermittlerin in Kriegsgebieten. Der Schweizer Diplomat Oliver Long führt Geheimverhandlungen mit der französischen Regierung und algerischen Unabhängigkeitskämpfern. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag für das Abkommen von Evian, das 1962 den franko-algerischen Krieg beendet. Für Aussenminister Max Petitpierre sind die Schweizer Bemühungen für einen Frieden in Algerien Teil einer «aktiven Neutralitätspolitik».
Nuba-Berge/Sudan
Im Januar 2002 wird auf dem Bürgenstock ein Waffenstillstandsabkommen für die Nuba-Berge im Sudan unterzeichnet. Auf das Abkommen haben sich Vertreter der sudanesischen Zentralregierung in Khartum und der Rebellenarmee SPLA geeinigt. Bei der Vermittlung hat die Schweiz, vor allem in der Person von Botschafter Josef Bucher, eine wichtige Rolle gespielt. Das Abkommen ist eine Grundlage für weitere Friedensabkommen im Sudan.
Israel/Palästinensergebiete
Die Schweiz ist aktiv beteiligt an der Ausarbeitung der sogenannten Genfer Initiative, einem inoffiziellen Friedensabkommen für den israelisch-palästinensischen Konflikt, das 2003 vorgestellt wird. Gesprächspartner sind israelische und palästinensische Wissenschaftler und NGO-Vertreter. Die Genfer Initiative soll als Modell dienen für eine Friedensregelung, die die Schaffung eines Staates Palästina auf der Basis der Grenzen von 1967 vorsieht. Eine praktische Umsetzung dieser Ideen gibt es aber bis heute nicht.
Türkei/Armenien
Als Mediatorin engagiert sich die Schweiz für eine Normalisierung in den Beziehungen zwischen den verfeindeten Ländern Türkei und Armenien. Das trägt erste Früchte: Im Oktober 2009 unterzeichnen der türkische und der armenische Aussenminister in Zürich ein Abkommen, das den Weg zur Grenzöffnung und zu Aufnahme diplomatischer Beziehungen ebnen soll. Allerdings haben die beiden Länder das Abkommen bis heute nicht ratifiziert. Grund dafür ist vor allem der Streit um das umstrittene Gebiet Nagorny Karabach und um die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern im Ersten Weltkrieg.
Ukraine
Im Jahr 2014 hat die Schweiz den Vorsitz der OSZE inne, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Das Hauptaugenmerk gilt dabei der Situation in der Ukraine. Die Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini bemüht sich stark um einen Waffenstillstand zwischen der Regierungsseite und den prorussischen Separatisten. Ein Erfolg in diese Richtung ist das Abkommen von Minsk im Herbst 2014. Es führt zumindest zu einer gewissen Beruhigung der Lage im ukrainischen Krisengebiet.