Recherchen der «Rundschau» zeigen, dass al-Kaida-Terroristen in Syrien Schweizer Handgranaten verwenden. Wie die Sonntagszeitung berichtete, setzten Sondereinheiten des ukrainischen Innenministeriums ausserdem Gewehre der Thuner B & T AG in Kiew gegen Demonstranten ein.
Die Odyssee einer Handgranate
Die Handgranate, die bei der al-Kaida-Splittergruppe «Islamischer Staat im Irak und in Gross-Syrien (Isis) aufgetaucht ist, stammt mutmasslich aus einer bewilligten Lieferung von rund 200'000 Stück der bundeseigenen Waffenschmiede Ruag an die Vereinigten Arabischen Emirate. Wie ein offizieller, aber nie veröffentlichter Untersuchungsbericht feststellt, verschenkten die Emirate einen Teil der Ruag-Handgranaten an Jordanien.
Wie die Sprengkörper von dort zu den Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) gelangten, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist allerdings, dass die Türkei eine weitere Zwischenstation der Sprengkörper war. Ob die Handgranaten von dort auch direkt zu al-Kaida-Splittergruppen gelangten, bleibt ungewiss. Bereits in der Vergangenheit hatte die FSA, also die sogenannt moderate Widerstandsarmee, aber vom Ausland gelieferte Waffensysteme zum Teil an Extremistengruppen weiterverkauft.
«Sie sollen glücklich sein, dass diese Leute Waffen haben»
Die Waffenlobby «Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik» macht sich für eine Lockerung der Schweizer Exportbestimmungen stark. Einer ihrer Ko-Präsidenten ist Jean-François Rime, Nationalrat SVP/FR. Im Gespräch gibt er zu, dass es grundsätzliche Probleme mit dem Waffenexport gebe.
Die Handgranaten seien aber eine alte Geschichte. «Es gibt sehr viele Schweizer, die gegen den Präsidenten von Syrien sind und die die Terroristen unterstützen. In diesem Fall sollten sie glücklich sein, dass diese Leute Waffen haben. Und die Amerikaner haben überlegt, ob sie diesen Terroristen nicht Waffen liefern. Also man muss die Situation genau analysieren.»
Bewilligte Exporte
Die Thuner B & T AG hat der Ukraine Präzisionsgewehre, Einzelteile und Know-how zur Verfügung gestellt. Eine lokale Firma übernahm dann die Lizenzproduktion des Gewehrs vom Typ APR308. Einziger Kommentar von Karl Brügger, Besitzer von B & T: «Sämtliche Exporte inklusive Know-How-Transfer wurden vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bewilligt.» Bilder der Rundschau zeigen drei verschiedene Gewehre dieses Typs im Einsatz gegen Demonstranten in Kiew.
Längerfristig gestiegene Exporte
Chantal Galladé, Nationalrätin SP/ZH und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, sagt dazu: «Es ist sehr tragisch, dass am Schluss Schweizer Waffen in solchen Krisenherden gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Dass sie auch in terroristische Hände kommen, ist sicherheitspolitisch bedenklich.» Im Nationalrat werden Rime und Galladé nun darüber debattieren, ob und wie die Schweiz die Exportbestimmungen lockern soll.
Rime und das Pro-Lager führen ins Feld, dass die Rüstungsexporte letztes Jahr um 34 Prozent zurückgegangen seien. Galladé meint dagegen, dass es der Branche recht gut gehe. Kurzfristige Vergleiche sind im Waffengeschäft wenig aussagekräftig. Im Jahr 2000 wurde für 216 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert. Danach stiegen die Ausfuhren bis auf den Rekordwert von 873 Millionen im Jahr 2011, bevor sie auf 461 Millionen Franken im letzten Jahr absackten. Das waren aber immer noch mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2000.
Vor allem sind die meisten Waffen, z.B. Mowag-Schützenpanzer oder Präzisionsgewehre von B & T, so dauerhaft, dass man heute nicht abschätzen kann, ob das Bestimmungsland in zehn oder zwanzig Jahren immer noch stabil ist. Die Scharfschützengewehre in der Ukraine könnten da ein Lehrbeispiel sein: 2009 wurden sie zum Schutz der Fussball-EM exportiert. Fünf Jahre später gleitet das Land in einen vertrackten Konflikt ab.