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Tweets auf einem Handy
Legende: Das Forschungsinstitut gfs.bern hat die politische Debatte auf Twitter über den Atomausstieg untersucht. Keystone

Schweiz Schweizer Politik: Wer auf Twitter den Ton angibt

In der Schweiz sind es sechs Gruppen, die auf Twitter die politische Debatte prägen. Dies zeigt eine Analyse des Forschungsinstituts gfs.bern, das die Meinungsbildung anlässlich einer laufenden Abstimmungsdebatte eingehend untersucht hat.

In der Schweiz haben rund 150‘000 Nutzer ein Twitter-Konto, wie das Forschungsinstitut gfs.bern schätzt. Damit ist Twitter hierzulande kein Massenmedium wie beispielsweise in den USA. Trotzdem liessen sich aus einer Debatte auf Twitter wichtige Schlüsse ziehen, sagt Claude Longchamp, VR-Präsident des Forschungsinstituts gfs.bern.

Vor allem lasse sich analysieren, wie bei politischen Sachfragen die Meinungsbildung verläuft: «Wichtige Meinungsführer auf Twitter funktionieren als Multiplikatoren». Zu den Meinungsführern gehören Politiker, Parteien und Medien, wie eine Auswertung von gfs.bern ergeben hat. Es ist ein vergleichsweise kleiner Kreis an Nutzern – ein Kreis allerdings, der Twitter intensiv als Kommunikationskanal verwendet und stark vernetzt ist.

Bei Twitter geht es um eine Elite der Meinungsmacher.
Autor: Claude Longchamp Leiter Forschungsinstitut gfs.bern

Gerade die klassischen Massenmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen zögen Twitter stark in ihre Berichterstattung mit ein, sagt Claude Longchamp und ergänzt: «Die Meinungsführer auf Twitter erreichen damit auch über die klassischen Kanäle ein breites Publikum. Ihre Botschaften multiplizieren sich.» Eine zentrale Rolle spielten dabei die Online-Ausgaben der NZZ und des Tagesanzeigers, aber auch das Online-Magazin Watson und SRF News.

Audio
Claude Longschamp zur Twitter-Analyse
07:09 min
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 9 Sekunden.

Von der Durchsetzungs- zur Atomausstiegsinitiative

Ausgangspunkt für die Untersuchung von gfs.bern war die Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative im Februar 2016. Im Vorfeld wie auch im Nachgang war vielfach die Rede davon, dass die sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Instagram massgeblich zur Debatte und zur Mobilisierung beigetragen hätten.

Das Forschungsinstitut wollte genauer wissen, wie die Meinungsbildung zu einem politischen Thema auf den sozialen Medien tatsächlich abläuft. Zu diesem Zweck hat gfs.bern die Debatte auf Twitter im Vorfeld der Abstimmung zur Atomausstiegsinitiative, über die am 27. November abgestimmt wird, eingehend untersucht.

Die Polit-Twittersphäre ist in der Schweiz pluralistisch und nicht bi-polar wie in den USA.
Autor: Claude Longchamp Leiter Forschungsinstitut gfs.bern

Sechs Gruppen dominieren die politische Debatte

Untersuchungen aus den USA zeigen, dass dort die politische Debatte hauptsächlich in zwei weitgehend abgeschotteten Kreisen stattfindet; entweder innerhalb des demokratischen oder des republikanischen Lagers.

In der Schweiz hingegen verläuft die Debatte auf Twitter anders, wie die Analyse von gfs.bern zeigt. Das Forschungsinstitut hat sechs Gruppen ausfindig gemacht, welche die politische Debatte zur Atomausstiegsinitiative prägen:

  1. das grüne Lager
  2. die GLP
  3. die Linksliberalen
  4. das bürgerliche Lager
  5. die Gruppe der nicht-deutschsprachigen Meinungsführer
  6. die Energie-Fachleute

Claude Longchamp betont, dass diese sechs Gruppen über die Atomausstiegsinitiative hinaus Gültigkeit haben: «Auch bei anderen politischen Themen würden wir diese sechs Gruppen antreffen. Im Fall der Fachleute wären es allerdings keine Energie-Spezialisten, sondern andere Experten aus einem entsprechenden Fachgebiet.» Die Debatte auf Twitter verlaufe in der Schweiz nicht bi-polar wie in den USA, sondern sei vielschichtiger, so die Untersuchung.

Ungelöst bleibt allerdings die Frage, inwiefern die sozialen Medien oder die klassischen Medien entscheidend sind für die Meinungsbildung. «Diese Frage würden wir gerne beantworten können», ergänzt Claude Longchamp und skizziert damit seine weitere Forschungstätigkeit.

Twitter und Facebook als Quelle für politische Analysen

Immer häufiger benutzt die Wissenschaft die sozialen Medien für politische Analysen. Da Twitter in der Schweiz bislang zu wenig stark verbreitet ist, eigne sich eine Twitter-Analyse nicht, um den Prozess der politischen Meinungsbildung bei einer breiten Bevölkerungsschicht zu analysieren, stellt Claude Longchamp fest.

Für die Wissenschaft wäre Facebook mit seinen schätzungsweise 3,4 Mio. Nutzern in der Schweiz für eine Analyse prädestiniert. Claude Longchamp bedauert allerdings, dass die Daten von Facebook für die Forschung nicht zugänglich seien.

Methode der Twitter-Analyse

Für die Analyse hat das Forschungsinstitut gfs.bern die häufigsten Begriffe aus der Atomausstiegsdebatte auf Twitter identifiziert (z.B.: Kosten, Nuklearenergie, Fukushima,
etc.). Zusätzlich wurde die Herkunft der Wortmeldungen ermittelt. Für die
Analyse haben die Forscher letztlich 1‘346 Twitter-Adressen genauer untersucht.
Gemäss gfs.bern findet die laufende politische Debatte hauptsächlich zwischen
diesen Nutzern statt. Sie bilden beim Thema Atomausstieg den «Twitter-Newsraum».

Sendebezug: SRF 4 News 6.45 Uhr

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