Ein landesweites Wahlrecht ab 16 Jahren kennen in Europa unter anderem bereits Österreich und Malta. Nun kommt vielleicht auch die Schweiz hinzu. Martina Mousson befasst sich mit Jugend und Politik. Abgesehen davon, dass bis zur allfälligen Umsetzung dieses Vorschlags noch viel Zeit vergehen wird, erwartet sie auch keine massgeblichen Verschiebungen bei den Mehrheitsverhältnissen.
SRF News: Welche Chance geben Sie dem Stimmrechtsalter 16?
Martina Mousson: So früh im politischen Prozess ist das eine heikle Frage. Jetzt geht der Entwurf dieses Artikels erst einmal in die Vernehmlassung. In der Vergangenheit hat es immer viel Zeit in Anspruch genommen, bis das Stimmrecht ausgeweitet wurde – für die Frauen vor 50 Jahren, für die 18-Jährigen vor 30. Das waren jeweils Prozesse von 20 bis 30 Jahren, bis es zur Umsetzung kam. Und die Signale aus den Kantonen sind sehr gemischt bis pessimistisch. Am Ende wird das Stimmvolk das letzte Wort haben.
Gibt es wirklich ein Bedürfnis nach einem Stimmrechtsalter 16?
Wenn man auf die Geschehnisse des vorletzten Jahres zurückschaut – man denke an die Klimabewegung, an Fridays for Future –, so hat man gesehen, die Jugendlichen haben eine Stimme, sie wollen sie transportieren. Und sie sind offenbar auch motiviert worden, diese zum Ausdruck zu bringen.
Politik ist nichts Weltfremdes für die Jungen.
Für mich ist das ein starkes Indiz, dass sie wählen und abstimmen wollen. Und wir wissen auch aus Umfragen, wie etwa dem Credit-Suisse-Jugendbarometer oder dem Easyvote-Politikmonitor, dass sich die Jungen für Politik interessieren. Vielleicht nicht für die institutionellen, gängigen Wege, die wir kennen, aber Politik ist nichts Weltfremdes für sie.
Jüngere Bürgerinnen und Bürger stimmen seltener und selektiver ab. Könnte das zu einer Verschiebung der Verhältnisse führen, etwa bei Klimathemen?
Solche Ängste waren immer da, wenn das Stimmrecht ausgeweitet wurde, sei es bei den Frauen oder den 18-Jährigen. Das ist aber nie passiert. Wenn man schaut, wie die 18- bis 24-Jährigen stimmen, darf man annehmen, dass sich die 16- bis 18-Jährigen an der Urne ähnlich verhalten werden. Und das Verhalten weicht nicht grundlegend von der gesamten Stimmbevölkerung ab.
Kritiker sind der Meinung, 16-Jährige seien nicht reif genug zum Stimmen und Wählen. Was sagen Sie dazu?
Meine Meinung ist, wenn man einer 16-Jährigen oder einem 16-Jährigen zumutet, Entscheide zu fällen, die das ganze weitere Leben betreffen, namentlich die Berufs- und Ausbildungswahl, dann darf man davon ausgehen, dass er oder sie die Kompetenzen hat, Lösungen zu sehen oder Fragen zu beantworten. Und ich glaube, das kann man auch ins Politische übertragen.
Das Gespräch führte Urs Gredig.