Der Nationalrat ist mit 135 gegen 55 Stimmen bei zwei Enthaltungen auf die Energiestrategie 2050 eingetreten. Zwei Rückweisungsanträge aus dem rechtsbürgerlichen Lager scheiterten in der Folge deutlich.
Für die Detailberatung sind nun bis Donnerstag rund 20 Stunden eingeplant. Die 118-seitige Fahne enthält 115 Minderheitsanträge.
Das erste Massnahmenpaket soll den nach Fukushima von Bundesrat und Parlament 2011 beschlossenen Weg der Schweiz aus der Atomenergie ebnen. Es ist ein Förderpaket zugunsten von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Daneben geht es auch um die AKW-Laufzeiten und allfällige fixe Abschaltfristen, wie sie die Atomausstiegsinitiative der Grünen verlangt.
Wasserfallen: «Subventionsmonster»
In Eintretensdebatte hatten sich das rechtsbürgerliche und linksgrüne Lager einen rund dreistündigen, engagierten Schlagabtausch geliefert: Die Versorgungssicherheit könne mit der neuen Strategie nicht gedeckt werden, unterstrich Albert Rösti (SVP/BE). Die drohende Lücke werde vermutlich noch grösser ausfallen als angenommen. Auch werde die Wasserkraft mangels Rentabilität keinen echten Beitrag leisten können. Die Energiestrategie 2050 sei im Grunde eine Importstrategie. Es drohe schlechtere Versorgungssicherheit bei höheren Kosten.
Die Lösung passe nicht zu den aktuellen Problemen im Strommarkt, doppelte Christian Wasserfallen (FDP/BE) nach. Er sprach von einem «Subventionsmonster». Die vorliegende Energiestrategie verdiene den Namen nicht. Es fehle die sichere Finanzierung, die auf das zweite Massnahmenpaket vertagt werde.
Brunner warnt vor Knappheit
«Wir können das Paket nicht mittragen», sagte Toni Brunner (SVP/SG). Denn mit dem Paket sei die Versorgungssicherheit nicht weiter gewährleistet. «Mit den Windrädli auf dem Dach geht es nicht. Wollen sie Kernkraft oder Kohlestrom importieren?», fragte der Parteipräsident und warnte vor Energierationierungen sowie massiv höheren Treibstoff- und Heizölkosten.
Christian Miesch (SVP/BL) stellte die Frage in den Raum, warum denn viele Länder ausserhalb der Schweiz auf die Kernenergie bauten, wenn sie doch angeblich ökonomisch und ökologisch so sinnlos sei.
Girod: «Wir haben die richtigen Technologien»
Martin Bäumle (GLP/ZH) setzte sich für den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Die Risiken und die Folgekosten seien zu gross. Die Atomenergie habe von Beginn an nur mit Subventionen überlebt, was immer ausgeklammert werde. Ungeachtet dessen wolle die SVP neue AKWs bauen und die FDP «eiere» herum, teilweise mit grünem Anstrich.
«Wir haben die richtigen Technologien für eine richtige Energiewende», postulierte Bastien Girod (Grüne/ZH). Die Kosten könnten gesenkt werden. Die erneuerbaren Energien seien auch eine grosse Chance für die Wirtschaft. Die Technologien müssten aber rechtzeitig umgesetzt werden samt Effizienzförderungsinstrumenten. «Wir sind im europäischen Umfeld das absolute Schlusslicht», sagte Girod.
Linksgrüne Kritik an rechten Bremsern
«Tatsächlich geht es um sehr viel, neben Innovationsfreude auch um Sparsamkeit», stellte Regula Rytz (Grüne/BE) fest. Es stehe nun neben politischer Glaubwürdigkeit auch ein «Gedächtnistest» an, sagte sie unter Hinweis auf die Versprechungen vor den letzten Wahlen.
Die zerstörerische Kraft der Atomenergie müsse gebändigt werden, bevor sie in der Schweiz Schaden anrichte, warnte Eric Nussbaumer (SP/BL). Den Bremsern und Verzögerern der rechten Ratshälfte dürfe nicht gefolgt werden.
Leuthard: Richtiger «Energie-Mix»
«Sie können nicht davon ausgehen, dass die Energie in Zukunft noch so günstig zu haben ist», stellte Energieministerin Doris Leuthard fest. Die Nachfrage werde massiv steigen. Dazu komme ein deutlich höherer Energiebedarf aufgrund des Bevölkerungswachstums.
Die Suche nach dem richtigen Energie-Mix sei für die Schweiz wie auch alle anderen Länder unausweichlich. Die verfassungsrechtlich relevante zweite Etappe der Strategie mit dem Lenkungssystem wird laut Leuthard im Frühjahr vorliegen: «Parlament und Volk werden darüber entscheiden.»