Die Schweiz soll in den nächsten vier Jahren rund 11,105 Milliarden Franken für die internationale Zusammenarbeit ausgeben. So beantragt es zumindest der Bundesrat. In den beiden Kammern zeichnet sich eine rege Diskussion darüber ab, wieviel die Quote der Entwicklungshilfe gemessen am Bruttonationaleinkommen (BNE) bis 2020 exakt betragen soll.
Hinsichtlich der Debatte im Nationalrat stand zudem im Raum, ob die Programme und Projekte künftig enger an die Ziele der Migrationspolitik gekoppelt werden sollen. Als Mitglieder der Aussenpolitischen Kommission diskutierten Claudia Friedl (SP/SG) und Luzi Stamm (SVP/AG).
Weshalb sind Sie für bzw. gegen eine Erhöhung der Ausgaben?
Claudia Friedl (SP/SG)
Das Parlament hat sich 2011 das Ziel gesetzt, einen Anteil von 0,5 Prozent des BNE für die Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen. 2015 hat die Schweiz das erreicht. Jetzt wurde der Betrag auf 0,48 Prozent gekürzt. Die reichen Industrieländer haben sich der UNO gegenüber verpflichtet, auf einen Betrag von 0,7 Prozent zu gehen. Dies, weil der Bedarf zur Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO-Agenda 2030 in nächster Zeit steigen wird. Die Agenda 2030 wurde letztes Jahr verabschiedet. Zudem wird die Umsetzung der Klimaziele, die für viele Länder überlebensnotwendig sein werden, Milliarden kosten. Die Schweiz als reiches Land kann da nicht abseits stehen.
Luzi Stamm (SVP/AG)
Ich wäre für eine Erhöhung, wenn die Schweiz nicht den katastrophalen Fehler machen würde, die zur Verfügung stehenden Milliarden für Leute auszugeben, die sie in die Schweiz kommen lässt.
Wo sehen Sie die Prioritäten in der Entwicklungszusammenarbeit?
Claudia Friedl (SP/SG)
Es geht um Verminderung von Armut, Verbesserung der Gesundheit, Bildung, Gleichstellung, Frauenförderung, Landwirtschaft, Jobs schaffen, staatliche und gesellschaftliche Strukturen aufbauen, Korruption bekämpfen, Friedensförderung – die menschenrechtliche, politische und wirtschaftliche Situation soll sich so verbessern, dass die Menschen, dort wo sie leben, eine Perspektive finden. Friedensförderung in den fragilen Ländern leistet den kostengünstigsten Beitrag an die Sicherheit der Schweiz.
Luzi Stamm (SVP/AG)
Das Ziel sollte sein, das Geld dort einzusetzen, wo der eingesetzte Franken am meisten Hilfe bringt.
Soll die Kooperation in Migrationsfragen berücksichtigt werden?
Claudia Friedl (SP/SG)
Entwicklungsgelder werden nicht einfach ausbezahlt. Das sind Projekte, oft auf längere Zeit ausgerichtet, bei denen mit den Leuten vor Ort gearbeitet und etwas entwickelt wird. Ein plötzlicher Stopp der Projekte würde vor allem die Bevölkerung treffen und nicht die Staatsführer und würde all das bereits Investierte zerstören. Es gibt aber Situationen, wo es möglich ist, mit einem Land Migrationspartnerschaften aufzubauen. Die Schweiz hat sechs solche (Kosovo, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Nigeria, Tunesien). Das Ziel dieser Partnerschaften sind win-win-win-Situationen: für die Schweiz, den Migranten, das Herkunftsland.
Luzi Stamm (SVP/AG)
Für Erdbebenhilfe (Rotes Kreuz etc.) darf die Kooperation keine Rolle spielen. Für Aufbauhilfe aber sehr wohl: Wenn ein Land nicht kooperiert, soll dieses Land auch kein Geld erhalten.