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Session «Der Finanzplatz Schweiz steht Kopf»

Die Linke sieht den Finanzplatz Schweiz auf dem Kopf stehen, die Ratsrechte will ihn nicht auf den Kopf stellen. Und die Bundesrätin hofft, dass die Räte nicht den Kopf in den Sand stecken. Eine regelrechte Turnerei während der ausserordentlichen Session im Nationalrat.

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Das Parlament ist sich nicht nur völlig uneinig, wie es die Vergangenheit unversteuerter ausländischer Gelder regeln soll. Auch, was die Zukunft angeht.

«Wir müssen den Finanzplatz auf die Beine stellen. Er steht Kopf!», ruft Corrado Pardini von der SP in den Saal. Ruedi Noser von der FDP braucht ein ähnliches Bild: «Ist es klug, mitten im Sturm unsere Welt auf den Kopf zu stellen?»

Nicht auf den Kopf stellen, aber das Schicksal selber in die Hand nehmen, möchte Martin Landolt von der BDP: «Wir müssen uns gestalten, um nicht gestaltet zu werden. Wir müssen uns bewegen, um nicht bewegt zu werden.»

Gegen jegliche Änderungen auf dem Finanzplatz stellt sich die SVP mit Thomas Aeschi: «Sagen Sie Nein zu immer weitergehenden Konzessionen der Schweiz –  sei es beim Finanzplatz oder im Steuerbereich.»

Im Mittelpunkt: der Informationsaustausch

Konkret dreht sich alles um die Frage: Soll die Schweiz den automatischen Informationsaustausch gar nicht einführen, wie die SVP das verlangt? Oder erst, wenn es alle anderen auch getan haben? – so die Haltung des Bundesrats. Oder soll man mit wehenden Fahnen voraus gehen, wie die Linke dies verlangt?

Auf Bundesratslinie liegt die CVP, Leo Mülller: «Wir wollen nicht mit vorauseilendem Gehorsam unsere Wettbewerbsfähigkeit schwächen und uns so aus dem Markt nehmen.»

Wesentlich stärker auf die Bremse tritt Ruedi Noser: «Für die Liberalen ist der automatische Informationsaustausch (AIA) staatspolitisch höchst problematisch. Er verletzt die Privatsphäre, und schafft den gläsernen Bürger, der schutzlos dem Staat ausgeliefert ist.»

Wohingegen die SP fordert: «Wir wünschten uns, dass die Schweiz mit der EU neue Standards definiert, was den AIA anbelangt. Wir möchten, dass die Schweiz offensiv mit der OECD an diesen arbeitet.»

Absturz vorprogrammiert

Dass die Schweiz noch Bedingungen stelle, zum Beispiel einen besseren Marktzutritt für Schweizer Banken in der EU, wie das Stimmen aus der Mitte fordern, sei unrealistisch.

Unzufriedenheit der Parlamentarier aller Couleur macht sich breit. Christoph Blocher bedankt sich bei Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf für Sicherheit; die Sicherheit, dass betreffend des Finanzplatzes Schweiz falsch entschieden werde.

Auch die Linke ist nicht zufrieden und wettert gegen das Bankgeheimnis. Laut SP-Frau Susanne Leutenegger Oberholzer gehört das «Steuerhinterziehergeheimnis» abgeschafft. Sie plädiert für Transparenz.

Nicht den Kopf in den Sand stecken

Die Finanzministerin bekräftigte nochmals die bundesrätliche Position – und appellierte an all jene, die überhaupt nichts vom automatischen Austausch von Steuerdaten wissen wollen: «Ich hoffe immer noch, dass wir bereit sind, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Wir müssen uns mit der Realität auseinandersetzen – auch wenn dies uns nicht immer gefallen mag.»

Bilanz nach ausführlicher Grundsatzdebatte: Was der «Lex USA» in diesen Tagen droht, nämlich der Absturz, das droht heute auch den Forderungen nach einem raschen automatischen Informationsaustausch. Im Ganzen musste der Nationalrat über mehr als 50 Vorstösse zum Thema befinden.

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