Individualbesteuerung, das heisst: Jeder und jede soll seine respektive ihre eigene Steuererklärung ausfüllen – auch die Verheirateten. So könnte die Heiratsstrafe bei den Steuern aus dem Weg geräumt werden.
Doch dieser Weg spaltet Politik und Bevölkerung: Die Abstimmung über die CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe endete vor zwei Wochen praktisch mit einer Patt-Situation.
Eine Mehrheit des Nationalrats machte sich nun für die Individualbesteuerung stark. Sie nahm eine entsprechende Motion ihrer Finanzkommission aber nur ganz knapp an. Vor allem CVP und SVP möchten bei der gemeinsamen Veranlagung bleiben.
Mit der Individualbesteuerung würde ein Bürokratiemonster geschaffen.
Alois Gmür von der CVP warnte, es würde mit der Individualbesteuerung ein Bürokratiemonster geschaffen, das massive zusätzliche Kosten verursachen würde. «Jedes Ehepaar müsste zwei Steuererklärungen ausfüllen.»
Zusatzaufwand für die Verwaltung
1,7 Millionen zusätzliche Steuererklärungen hätten die Verwaltungen zu verarbeiten, Kantone müssten dafür 400 bis 500 zusätzliche Stellen schaffen, und obendrein müsste geklärt werden, bei welchem Ehepartner welche Abzüge möglich wären.
Heutzutage sei das alles lösbar, gibt Thomas Weibel von den Grünliberalen zurück: «Denn es ist technisch ohne weiteres möglich, weiterhin eine gemeinsame Steuererklärung einzureichen und diese dann mit einem spezifischen Algorithmus auszuwerten.»
Nur geht es bei dieser Steuerfrage noch um mehr als bloss um Algorithmen und Abzüge. Zur Debatte stehen vor allem auch gesellschaftspolitische Fragen. Die Gegner der Individualbesteuerung fürchten um nichts weniger als die Institution der Ehe.
Abschaffung der Gütergemeinschaft
Thomas Aeschi von der SVP erinnert daran, dass die Ehe immer noch eine Gütergemeinschaft sei, das Zivilgesetzbuch lege das so fest. «Wenn Sie jetzt im Steuerrecht die Gütertrennung einführen, schaffen Sie eine massive Diskrepanz. Ich würde schon fast wagen, von einer Abschaffung der Ehe durch die Hintertür zu sprechen.»
Ich würde schon fast wagen, von einer Abschaffung der Ehe durch die Hintertür zu sprechen.
Ganz anders sehen das Vertreterinnen von Links, FDP, BDP und GLP: Die Individualbesteuerung würde Ehefrauen motivieren, etwa nach einer Familienpause wieder arbeiten zu gehen – nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative sei das ohnehin das Gebot der Stunde, sagt Mattea Meyer von der SP.
Mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt
Die Individualbesteuerung sei daher «ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung der Geschlechter». Denn die aktuelle Paarbesteuerung halte insbesondere Frauen von einer höheren Erwerbstätigkeit ab, so Meyer. «Das ist gleichstellungspolitischer sowie volkswirtschaftlicher Unsinn.»
Bis zu 50'000 Personen, meist eben Frauen, könnten so zusätzlich in den Arbeitsmarkt gelockt werden, rechnet eine Studie des Finanzdepartements vor. Finanzminister Ueli Maurer ist da allerdings skeptisch: «Ich persönlich bin eher der Auffassung, dass die Steuern nicht der entscheidende Faktor sind, ob eine Frau berufstätig ist oder nicht. Es gibt viele andere Faktoren.»
Die aktuelle Paarbesteuerung ist gleichstellungspolitischer sowie volkswirtschaftlicher Unsinn.
Am Ende siegten die Befürworter der Individualbesteuerung mit 92 zu 88 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Das Geschäft geht nun in den Ständerat; viele Kantonsvertreter befürchten allerdings den Zusatzaufwand für ihre Steuerverwaltungen.
Ohnehin wird der Bundesrat aber im Herbst eine komplette Auslegeordnung präsentieren, bei der er alle verschiedenen Modelle analysiert: Individualbesteuerung – aber auch Varianten der gemeinsamen Besteuerung.