Für Spannung sorgte zum Auftakt der Frühjahrsesssion im Nationalrat das geplante Bundesgesetz über die Ladenöffnungszeiten. Umso mehr, als die kleine Kammer im letzten Herbst äusserst knapp – mit Stichentscheid des Präsidenten – gar nicht auf die Vorlage eingetreten war. Nach engagierter Debatte machte der Natoinalrat dann aber mit 115 zu 68 Stimmen deutlich, dass er das Projekt weiterverfolgen will.
Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) ging mit dem Gesetz hart ins Gericht. Eine Mehrheit der Kantone lehne das Gesetz ab, betonte sie. Auch sei es geradezu eine «ökonomische Dummheit», bei gleichem Verkaufsvolumen mehr Personal einzusetzen. Leiden würde nach ihren Worten aber vor allem das weibliche Verkaufspersonal wegen längerer und zerhackter Arbeitszeiten.
Die Leute kaufen wegen der Preise und nicht wegen der Ladenöffnungszeiten im Ausland ein.
Längere Öffnungszeiten seien aber auch kein Allheilmittel gegen den Einkaufstourismus. Dieser sei nämlich Folge der verfehlten Hochpreispolitik und des von der Nationalbank tolerierten starken Frankens: «Die Leute kaufen wegen der Preise und nicht wegen der Ladenöffnungszeiten im Ausland ein.» Die Öffnungszeiten richteten sich nach den lokalen und regionalen Bedürfnissen und müssten auch weiterhin so geregelt werden.
Die Vorlage ist auch ein Beitrag zum Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
Hans Egloff (SVP/ZH) warb für das Gesetz. Der Mindeststandard für den ganzen Schweizer Detailhandel stelle keine Vorschrift dar, sondern sei ein Mindestrahmen, der dem Handel gewährt sein müsse. Für die Vorlage sprächen auch die veränderten Bedürfnisse der Konsumentenschaft.
Zudem werde die Wettbewerbsfähigkeit des Detailhandels insbesondere gegenüber dem benachbarten Ausland gestärkt, betonte Egloff: Die Vorlage sei ein Beitrag zum Erhalt von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Das Gesetz sei zudem sozialverträglich, da es keine Bestimmungen des Arbeitsrechts betreffe.
Senden sie dem Ständerat jetzt ein klares Signal zugunsten der Rahmenbedingungen im Detailhandel und gegen den Einkaufstourismus.
Es gehe um eine bescheidene Harmonisierung, gab Bundespräsident Johann Schneider-Ammann zu bedenken. Dem Ständerat müsse jetzt ein klares Signal zugunsten der Rahmenbedingungen im Detailhandel und gegen den Einkaufstourismus gesendet werden.
Die massive Aufwertung des Frankens stelle den Detailhandel – mit über 300'000 Angestellen einer der grössten Arbeitgeber – tatsächlich vor grosse Probleme. Und zwar auch wegen neuer Konkurrenten und des Online-Handels. Es bestehe auch mit dem neuen Gesetz kein Zwang, die Öffnungszeiten auszuweiten. Ebenso gebe es weder Änderungen im Arbeitsgesetz noch im Gesundheitsschutz, so der Wirtschaftsminister.
Eine Stunde weniger am Samstag
Das neue Bundesgesetz will Detailhandelsbetrieben in der ganzen Schweiz erlauben, die Öffnungszeiten moderat auszudehnen. Bisher ist die Regelung in der Kompetenz von Kantonen und Gemeinden.
Der neue gesetzliche Rahmen: wochentags von 6 bis 20 Uhr, samstags von 6 bis 19 Uhr. Bei den Samstagen verkürzte der Nationalrat nun aber als Konzession auf 18 Uhr. Unter diesem Regime müssten elf Kantone unter der Woche und 14 Kantone an Samstagen längere Öffnungszeiten gewähren.
Referendum der Gewerkschaften möglich
Nun ist wieder der Ständerat am Zug. Wenn dieser nun zustimmt, landet die Vorlage voraussichtlich vor dem Volk. Denn die Gewerkschaften überlegen sich das Referendum. Das Geschäft geht ursprünglich auf eine Motion des Tessiner Ständerats Filippo Lombardi (CVP) zurück. Das Tessin machte gestern einen kleinen Schritt hin zu liberaleren Ladenöffnungszeiten. Weil ein Referendum der Gewerkschaft Unia scheiterte, dürfen die Geschäfte wochentags neu bis 19 Uhr offen haben.