Session - Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative: Wer will was?
Heute kommt es im Nationalrat zum Showdown: Die grosse Kammer nimmt sich die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) zur Brust. Diskutiert wird ein Vorschlag der Staatspolitischen Kommission. Allerdings: In dieser Sache will jeder etwas anderes. Aber was genau?
Heute diskutiert der Nationalrat über den sogenannten «Inländervorrang light». SRF überträgt die Debatte ab 14.58 Uhr auf SRF 1 (TV), SRF 4 News (Radio) und als Stream auf srf.ch/news.
Das sagen die Protagonisten zur MEI-Umsetzung
Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrats
Die Masseneinwanderungsinitiative der SVP soll bis im Februar 2017 umgesetzt sein. Die Zeit läuft den Politikern also davon. Doch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) hat einen Vorschlag eingebracht, mit welchem dies noch zu schaffen sein könnte.
Kernstück ist ein «Inländervorrang light». Damit könnten Arbeitgeber verpflichtet werden, offene Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Weitergehende Massnahmen könnten nur mit Zustimmung der EU beschlossen werden. Auf Höchstzahlen und Kontingente, wie im Initiativtext gefordert, wird aber verzichtet.
Verabschiedet der Nationalrat die Vorlage noch in dieser Herbstsession, könnte der Ständerat das Geschäft in der Wintersession zu Ende beraten und in die Schlussabstimmung geben. Nach Ablauf der Referendumsfrist könnte das Umsetzungsgesetz in Kraft treten.
Kurt Fluri
Er ist sozusagen der Vater des Kompromissvorschlags. Kurt Fluri (FDP/SO) hat die Idee in die Staatspolitische Kommission eingebracht. Der Gedanke sei ihm nicht von einem Tag auf den anderen gekommen, sagt er zu SRF News. Er habe sich mit seinem Parteikollegen, Ständerat Philipp Müller, sowie diversen Wirtschaftsverbänden beraten. Man habe eine Lösung gesucht, die nicht die EU tangiere, die eine Inländerregelung beinhalte, ohne aber die Wirtschaft zu stark zu belasten. Und die innert der von der Initiative gewünschten Frist umsetzbar sei. Fluri geht davon aus, dass sein Modell im Nationalrat gute Chancen hat. Denn wenn bis im Februar keine Lösung gefunden sei, müsse der Bundesrat eine Verordnung erlassen. Und da habe die Regierung dann quasi freie Hand.
Der Bundesrat
Der Bundesrat schlägt dem Parlament eine einseitige Schutzklausel vor, um die Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen. Mit dieser könnte die Schweiz ab 2019 Kontingente für EU-Bürger einführen. Für die Regierung ist dies aber lediglich die «bestmögliche Zwischenlösung». Sie strebt weiterhin eine einvernehmliche Lösung mit der EU an.
Die einseitige Schutzklausel sieht vor, dass der Bundesrat auf Empfehlung einer Zuwanderungskommission Jahr für Jahr einen Schwellenwert für die Zuwanderung festlegt. Ist dieser am 1. Juli überschritten, führt der Bundesrat im Jahr darauf Höchstzahlen für die Bewilligungen von Personen aus EU- und EFTA-Staaten ein. Für den Bundesrat ist damit auch der Inländervorrang gegeben. Der Nachteil ist: Eine eigenmächtige Einschränkung der Zuwanderung verletzt das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Er verhandelt deshalb weiter über eine einvernehmliche Schutzklausel.
Die EU
Gegen eine Meldepflicht für offene Stellen, also den «Inländervorrang light», hat die EU grundsätzlich nichts einzuwenden. Denn eine Meldepflicht steht nicht im Widerspruch zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU (FZA). Einen echten Inländervorrang oder eine Zuwanderungsobergrenze lehnt die EU hingegen ab.
Solche Massnahmen widersprechen dem FZA, und die EU will keine Neuverhandlung dieses Abkommens. Dazu kommt: Auch bei einer Meldepflicht will die EU mitreden. Am liebsten mit dem Rahmenabkommen, über das aber immer noch verhandelt wird. Zumindest sollen Entscheide im Gemischten Ausschuss mit Vertretern der Schweiz und der EU einvernehmlich getroffen werden. Letztlich kann die EU die Schweiz aber nicht zu einer einvernehmlichen Lösung zwingen.
Die SVP
Die Initiantin der Masseneinwanderungsinitiative, die SVP, hält nichts vom Kompromissvorschlag der SPK. Laut SVP verstösst er in mehreren Punkten gegen die nach Annahme der MEI geänderte Verfassung. Der SPK-Entwurf enthalte keinen Inländervorrang, sondern nur eine fakultative Stellenmeldepflicht, welche erst bei Erreichen eines bestimmten Schwellenwerts eingeführt werden könne. Zudem enthalte der Vorschlag keine Höchstzahlen und Kontingente.
Die SVP glaubt auch, dass man die Zuwanderung durch ein besseres Ausschöpfen des Arbeitskräftepotenzials im Inland nicht reduzieren kann. Dazu müsste ihrer Meinung nach der Inländervorrang gelten – und nicht bloss eine Meldepflicht. Auch sei das vorgeschlagene Gesetz nicht wirtschaftsfreundlich. Und zu guter Letzt sind internationale Verträge für die SVP nicht wichtiger als die Bundesverfassung. Wer internationalen Abkommen mehr Gewicht zumisst als der eigenen Rechtsordnung, stellt nicht nur die Souveränität eines Staates in Frage, sondern gefährdet auch die Rechtssicherheit, sagt die Partei dazu.
Die CVP
Die CVP ist mit dem Vorschlag der Staatspolitischen Kommission nur zu «80 Prozent zufrieden». Die Partei wäre gerne einen Schritt weiter gegangen und hätte gemäss dem Wunsch der SVP Kontingente festgelegt. Für die Nationalrats-Debatte hat sich die CVP deshalb vorgenommen, eine härtere Umsetzung zu verlangen – im Sinn des Verfassungsartikels.
Der Ständerat
Die kleine Kammer muss als Zweitrat in der kommenden Wintersession über die Vorlage befinden. Obwohl der Kompromissvorschlag von einem FDP-Vertreter aus dem Nationalrat stammt, sind die Parteikollegen im Ständerat nicht damit einverstanden. So sagte etwa FDP-Ständerat Andrea Caroni, er werde sich für eine Analyse einsetzen, inwiefern das Gesetz verfassungskonform sei. Dort, wo es einen Konflikt gebe, müsse die Verfassung angepasst werden.
Stimmt der Nationalrat dem Vorschlag jetzt zu, ist zunächst aber die ständerätliche SPK an der Reihe. Wenn sie eine Verfassungsänderung für nötig hält, kann sie dem Ständerat in der Wintersession eine entsprechende Vorlage unterbreiten.
Bei einer raschen Einigung wäre eine Verfassungsabstimmung schon im Mai 2017 möglich. Beschliessen die Räte lediglich eine Gesetzesänderung, würde ein allfälliges Referendum erst im September zur Abstimmung gelangen.
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Video
Nationalrat vor Debatte über Umsetzung des Zuwanderungsartikels
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