Landauf, landab sind die Contact-Tracer der Kantone im Dauereinsatz. Laufend wird Personal aufgestockt – und doch werden längst nicht mehr alle positiv Getesteten und deren Kontakte erreicht.
Stattdessen wird das immer öfter den Betroffenen selbst überlassen.
Eigentlich war das Contact Tracing so gedacht:
- Wer positiv getestet wird, bleibt zu Hause in Isolation
- Die Behörden vom Contact Tracing nehmen Kontakt auf. Per Telefon, aus Zeitgründen auch immer öfter per Mail oder SMS.
- Gemeinsam versucht man herauszufinden, mit wem die positive Person in den zwei Tagen vor den ersten Symptomen engeren Kontakt hatte und somit angesteckt haben könnte. Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Freizeitfreunde.
- All diese Personen werden wenn möglich von den Behörden – oder von den Betroffenen selbst – kontaktiert und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben.
Das System stösst augenscheinlich an seine Grenzen und steht nicht erst jetzt in der Kritik. Denn immer mehr Studien deuten darauf hin, dass längst nicht alle Infizierten das Sars-Covid-2-Virus auf andere übertragen.
Konkret scheinen höchstens 20 Prozent das Coronavirus weiterzuverbreiten. Daraus ziehen Wissenschaftler den Schluss: Das Ermitteln, wen eine positive Person alles angesteckt haben könnte, ist nicht effizient.
Infektiologe Philipp Kohler vom Kantonsspital St. Gallen spricht sich stattdessen für einen Strategiewechsel aus: «Es wäre sicher prüfenswert, zumindest einen Teil der Ressourcen ins Rückwärts-Tracing zu investieren. Also sich auf die Quelle zu konzentrieren, wo die Infektion erfolgt ist.» Die Behörden nehmen mit der infizierten Person Kontakt auf.
So würde ein solches Rückwärts-Tracing ablaufen:
- Die Behörden nehmen mit der infizierten Person Kontakt auf.
- Gemeinsam versucht man herauszufinden, ob die Person in den sechs Tagen vor den ersten Symptomen an einem Anlass teilgenommen hat mit mehreren Personen in einem geschlossenen Raum, wo vielleicht die Abstandsregeln nicht immer gewährleistet waren. Weil es schwierig ist, sich an solche Ereignisse zu erinnern, die mehr als zwei Tage zurückliegen, empfehlen Experten das Führen eines Kontakt-Tagebuchs.
- Findet man einen solchen Anlass, bei dem sich weitere Personen infiziert haben, hat man einen «Cluster» oder «Superspreading Event» ermittelt.
- Alle Teilnehmer dieses Clusters werden so schnell wie möglich in Quarantäne geschickt und so weitere Ansteckungen aus diesem Cluster unterbunden.
Japan setzt seit längerem auf diese Cluster-Strategie. Mit Erfolg.