Bekommt eine Parlamentarierin ein Kind, kann sie während des Mutterschafturlaubs die Sitzungen des Parlaments nicht besuchen, sonst zahlt die Versicherung nichts mehr.
Ob Mutterschaft, längere Krankheit oder berufliche Abwesenheit: Das Parlament in der Stadt Biel entscheidet diese Woche über eine Stellvertreterlösung. Das bedeutet: Ein Parlamentarier kann für eine gewisse Zeit vertreten werden. Dieses System wird in der Schweiz wieder vermehrt diskutiert.
Eine Studentin sitzt im Stadtparlament und tritt nach ein bis zwei Jahren zurück, weil sie für das Studium für eine gewisse Zeit ins Ausland muss. Das habe man in Biel bereits mehrmals erlebt, sagt Vize-Stadtschreiber Julien Steiner. Das sei ein Problem, denn: Es sei mit ein Grund, warum motivierte junge Leute zum Teil gar nicht erst kandidierten.
Wenn es klare Regeln gibt und es wirklich auch über eine Stellvertreterinnenwahl erfolgt, dann sehe ich eher die Vorteile – namentlich, wenn es darum geht, den Nachwuchs zu fördern.
Mit einer Stellvertreterlösung könne man Beruf, Studium und aktive Politik besser vereinbaren. Deshalb setzt sich der Gemeinderat für die Regelung ein. In Biel müsste der Ausfall des eigentlichen Parlamentariers mindestens drei Monate dauern, damit die Stellvertretung eingesetzt wird.
Auch Politologe Lukas Golder, der Co-Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern, sieht Vorteile im Stellvertretersystem, vor allem dann, wenn die Stellvertreter demokratisch legitimiert seien. «Wenn es klare Regeln gibt und es wirklich auch über eine Stellvertreterinnenwahl erfolgt, dann sehe ich eher die Vorteile – namentlich, wenn es darum geht, den Nachwuchs zu fördern», sagt Golder.
Die Bevölkerung hat jemanden gewählt, sprich: mich. Und dann kann ich nicht einfach einen Stellvertreter in das Parlament schicken. Das ist nicht redlich.
Fünf Schweizer Kantone kennen eine Stellvertreterregelung in Kantonsparlamenten: das Wallis, Neuenburg, Genf, Jura und Graubünden. Im Wallis und in Graubünden gibt es eigene Wahllisten für Stellvertreterinnen. In anderen Kantonen rückt einfach die erste Ersatzkandidatin nach.
Nationalrat Mauro Tuena ist generell gegen ein solches System. Als Präsident der Stadtzürcher SVP wird er sich bald auch mit dem Thema auseinandersetzen, denn: Politiker in Zürich wollen solche Stellvertreterlösungen bald ebenfalls auf Stadt- und auf Kantonsebene diskutieren. Der Betrieb im Rat würde komplizierter, glaubt Tuena. Und: Es sei demokratisch nicht legitim. «Die Bevölkerung hat jemanden gewählt, sprich: mich. Und dann kann ich nicht einfach einen Stellvertreter in das Parlament schicken. Das ist nicht redlich», sagt Tuena.
Er steht mit dieser Meinung nicht alleine da: So hat zum Beispiel das Kantonsparlament im Kanton Bern eine Stellvertreterregelung bereits vor Jahren abgelehnt.