IP-Suisse ist das wichtigste Label punkto Tierwohl. Bei Spar und Denner sieht man es direkt auf der Fleischpackung. Bei Migros heisst es Terrasuisse, bei Volg Agrinatura und bei Aldi Naturesuisse.
Wer für das Label produzieren will, hat Mehrkosten. Der Stall muss grösser sein, die Tiere brauchen Liegeplätze im Stroh statt auf Spaltenböden. Das Stroh ist einer der grössten Kostenpunkte.
Ob es sich finanziell lohnt, Rind- und Schweinefleisch für das Label IP-Suisse zu produzieren, erforschte Christian Gazzarin vom landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope. Er verschaffte sich Einblick in die Buchhaltung von 21 Betrieben und machte erstmals eine detaillierte Vollkostenrechnung, verglich Kosten und Einnahmen.
«Wenn ein Betrieb in das Tierwohl investiert, hat er einen Mehrerlös über Marktprämie und Direktzahlungen vom Bund. Schwieriger zu erfassen sind die Mehrkosten, zum Beispiel für Stroh, Arbeit und Gebäude. Vergleicht man das mit einem Produktionsbetrieb, der nur den Minimalstandard nach Tierschutzverordnung einhält, sind die Mehrkosten deutlich höher als der Mehrerlös.» Dies zeige die Studie klar.
Über ein Viertel der Mehrkosten nicht gedeckt
Am grössten ist das Loch in der Kasse der Rinderbauern: Sie haben laut Agroscope im Schnitt Mehrkosten von 25’822 Franken. Marktprämie und Direktzahlungen decken aber nur knapp drei Viertel dieser Kosten. 28 Prozent der zusätzlichen Auslagen sind nicht gedeckt. Bei Schweinemästern sind es 9 Prozent.
Diesen Missstand kritisiert Stefan Flückiger vom Schweizer Tierschutz. Er hat die Studie gemeinsam mit IP-Suisse bei Agroscope in Auftrag gegeben: «Die Kosten der Bauern müssen gedeckt sein, und die Nachfrage muss angekurbelt werden», fordert er. Denn die Nachfrage nach tierfreundlichen Produkten stagniere. Handel und Gastronomie müssten Hand bieten, dass diese wieder anzieht. «Bauern sollen nicht nur schwarze Zahlen schreiben, sie dürfen auch Gewinn machen.»
Martin Rufer, Direktor des Bauernverbandes, fordert aufgrund der Zahlen: «Aus Sicht der Landwirtschaft müssen die Mehrkosten über den Markt abgegolten werden, über den Produzentenpreis und die Prämie. Es ist nicht in unserem Interesse, dass diese Mehrleistungen über zusätzliche Direktzahlungen finanziert werden.» Damit sind vor allem die beiden grossen Coop und Migros gefordert. Sie hätten es in der Hand, die Prämien zu erhöhen.
Einmal auf IP umgestellt gibt es kein Zurück
«Kassensturz» konfrontiert die Grossverteiler mit diesen Fakten, sie nehmen schriftlich Stellung. Coop schreibt, sie würden nur Schweine von IP-Suisse beziehen. Und sie würden sich für faire und marktgerechte Preise einsetzen. Der Anteil an Fleisch aus tierfreundlicher Haltung steige stetig und betrage aktuell 70 Prozent.
Migros schreibt, sie arbeite eng mit den IP-Suisse-Produzenten zusammen. Sie sei die grösste Abnehmerin von Nutztieren aus artgerechter Haltung. Bei Label-Rindern und -Schweinen hätte man die Abnahmemenge erst kürzlich erhöht, bei Schweinen auch die Mindestprämie.
Ob höhere Prämien oder nicht: Bauern, die sich für IP-Suisse-Ställe entschieden haben, bleibt keine Wahl: «Wir haben die Ställe gebaut und Mehrkosten damit. Jetzt müssen wir einfach darauf vertrauen, dass es funktioniert und wir richtig entschädigt werden», sagt Rinderbauer Martin Uhlmann. «Denn mit diesem Stall können wir nicht mehr konventionell produzieren.»