Bereits vor einer Woche war das Organisationskomitee (OK) des Eidgenössischen Turnfests von der Heftigkeit des Bergwinds Joran überrascht worden. Es liess das Gelände evakuieren und sagte die Eröffnungsgala ab. Drei Personen wurden leicht verletzt.
Auch gestern wurde das OK nach eigenen Angaben überrascht: Vom plötzlichen Auftreten der Gewitterwinde. Wirklich überrascht? Schon am Vormittag habe es Wetterwarnungen gegeben, dann auch am Nachmittag, sagte Polizeichef Fabian Sauvain. Eine Rekonstruktion der Ereignisse:
Turnfest im Sturm
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Turnfest-Direktor Fränk Hofer betonte gegenüber SRF, die Organisatoren hätten sich 24 Stunden zuvor auf ein Unwetter eingestellt, so seien Leute geschult und zusätzlich ausgerüstet worden. «Es stellt sich also die Frage, wann ist der richtige Zeitpunkt, um eine Veranstaltung abzubrechen?», so der Turnfest-Direktor.
Zudem sei es auch ein beträchtliches Risiko 15'000 Personen bei eitel Sonnenschein, Wettkämpfen und Feststimmung ohne erkennbaren Grund zu evakuieren. «Da bewegen wir uns in einem Spannungsfeld», sagte Hofer an einer Pressekonferenz. Das Wetter habe sich im Verlauf des Donnerstags denn auch zunehmend besser präsentiert als vorhergesagt.
Um 17.30 Uhr sei von Meteoschweiz die Meldung eingegangen, dass es in der Region Neuenburg stürme und hagle. Hofer erklärt dazu: «Wir wussten, dass das Gewitter langsam näher kommt.» Deshalb seien sie in den Führungsraum zurückgekehrt und hätten die Situation von dort aus gemeinsam mit der Polizei dauernd überwacht.
«Um 18.14 Uhr kam ein Notruf unseres Verantwortlichen aus Ipsach. Gleich danach habe ich entschieden, ‹Libero› zu befehlen.» «Libero» bedeutet den sofortigen Abbruch aller Veranstaltungen und die Evakuierung des Festgeländes in Ipsach.
«Gefahr für Leib und Leben.»
Der nationale Wetterdienst hatte eine Stunde zuvor eine Sturmwarnung für die Region veröffentlicht. «Die Genfer Kollegen von Meteoschweiz haben um 17.13 Uhr die Warnung vor heftigen Gewittern ausgegeben, darin wurde auch erwähnt, dass es Böen von bis zu 120 Kilometer pro Stunde geben könne», sagt Daniel Murer von Meteoschweiz zu SRF.
Auch Christine Jutz von «SRF Meteo» sagt, das die Superzelle für die Meteorologen vorhersehbar gewesen sei. «Den ganzen Nachmittag hatten wir die Unwetterwarnung der Stufe 2, also ‹grosse Schäden›. Um 17.48 Uhr gaben wir die Unwetterwarnung der Stufe 3 raus. Das bedeutet: Gefahr für Leib und Leben.»
Sie ergänzt, dass «SRF Meteo» eine solche Meldung höchstens ein bis zwei Mal pro Jahr rausgeben würde. «So etwas muss man ernst nehmen.»
Polizei ermittelt
Die Warnungstufe habe Meteoschweiz aber nicht hochgesetzt, sagte hingegen Franklini Cooper, Co-Leiter Polizei und Sicherheit an einer Pressekonferenz. Ab 17.30 Uhr seien alle in der Führungszentrale gewesen und hätten mit der Polizei die laufend aktuellen Daten gesichtet und sich auch laufend bei Meteoschweiz proaktiv informiert.
Gerade als man Evakuierungsalarm habe auslösen wollen, seien aus der Region Ipsach schon die ersten Notrufe eingegangen, macht Fränk Hofer deutlich.
Haben die Verantwortlichen also doch zeitgerecht gehandelt? Die Berner Kantonspolizei ermittelt.