Beim Canyoning-Unglück im Saxetbach kommen im Juli 1999 insgesamt 21 Personen ums Leben. Die Trauer ist gross – es ist der schwerste Canyoning-Unfall, den die Schweiz bisher erlebt hat. Die Opfer kommen aus Australien, Neuseeland, Grossbritannien, Südafrika und der Schweiz.
Als Folge des Unglücks werden fünf Guides und drei Verwaltungsräte des Tour-Organisators Adventure World angeklagt. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung. Der Trip wurde durchgeführt, obwohl es im Vorfeld geregnet und geblitzt hatte. In der Folge ertranken 21 von 45 Personen in einer Flutwelle.
Riesiges Medieninteresse
Die Gerichtsverhandlung findet zweieinhalb Jahre nach der Tragödie statt, im Dezember 2001. Das Medieninteresse ist riesig: Zwischen 100 und 150 Personen verfolgen den Prozess. Viele von ihnen sind Medienvertreter, aber auch 14 Angehörige sind vor Ort. Sie haben eine lange Reise hinter sich: Viele von ihnen kommen aus Australien, woher der Grossteil der Opfer stammt.
«Ich will, dass so etwas nie wieder passieren kann», sagt die Mutter eines der Opfer vor Prozessbeginn. «Und ich will eine Entschuldigung von Adventure World.» Diese habe sie bis jetzt nicht erhalten.
«Keiner Fehler bewusst»
Die acht Angeklagten plädieren auf nicht schuldig. Die beiden Guides, die damals die Expedition leiteten, sind sich laut SRF-Korrespondent Richard Herold «keiner Fehler bewusst». Sie verteidigen sich damit, dass es sich an jenem Tag im Juli um eine «Naturkatastrophe» gehandelt habe.
Auch die Verwaltungsräte wollen für das Unglück nicht verantwortlich sein: Für die Ausbildung und Sicherheit sei der Geschäftsführer zuständig. Dieser wiederum verweist auf den Lead Guide, der den konkreten Entscheid über die Durchführung eines Canyoning-Trips fälle. So weisen sich die Angeklagten gegenseitig die Schuld zu.
Nach eineinhalb Wochen fällt Richter Thomas Zbinden sein Urteil. Er verurteilt die drei Verwaltungsräte sowie den General Manager von Adventure World wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Monaten Gefängnis bedingt. Zwei weitere Mitarbeiter der Firma erhalten ebenfalls bedingte Gefängnisstrafen. Die beiden Guides, die den Trip leiteten, werden freigesprochen.
Doch die sechs Verurteilungen sind nicht die einzige Folge des Canyoning-Unglücks. In Bern diskutieren die Parlamentarier darüber, wie solche Fälle in Zukunft verhindert werden können. Das Thema erhält ein Jahr nach dem Unfall zusätzliche Brisanz, als ebenfalls im Berner Oberland ein Bungee Jumper stirbt, weil sein Seil zu lang ist. Wiederum ist der Organisator die Firma Adventure World.Ohne Ausbildung keine Bewilligung
Die Politiker wollen deshalb regeln, wer solche Risikosportarten zukünftig anbieten darf. Nach langen Beratungen erlassen sie 2010 ein Gesetz, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, das seit Anfang 2014 in Kraft ist: Wer Risikoaktivitäten wie Canyoning oder Riverrafting anbietet, muss seither ein Zertifikat dafür haben.
«Um eine solche Bewilligung zu erhalten, müssen Firmen oder Personen gewisse Sicherheitsstandards einhalten», erklärt Christoph Lauener vom Bundesamt für Sport. «Es geht also darum, dass man die vorgeschriebene Ausbildung absolviert hat und über eine gewisse Erfahrung und Ausrüstung verfügt.»
«Soziale Kontrolle wird spielen»
Die Kontrolle über die Firmen liegt bei den Kantonen. Lauener glaubt aber, dass auch die soziale Kontrolle unter den einzelnen Outdoor-Firmen spielen wird: «In dieser Szene kennt man sich. Wenn einer unterwegs ist, der keine Legitimation hat, dann wird das sicher sehr schnell den zuständigen Behörden gemeldet.»
Doch nicht nur für die Parlamentarier, auch für die Anbieter von Outdoor-Sportarten waren die beiden Unfälle ein Schock. «Das hat die Branche durchgeschüttelt», sagt Wolfgang Woernhard. Er ist Geschäftsführer der Swiss Outdoor Association, der Vereinigung von Outdoor-Veranstaltern in der Schweiz. «Ihnen ist bewusst geworden, wie wichtig die Ausbildung der Guides ist.»
«Null Risiko» gibt es nicht
So habe sich die Branche zusammengeschlossen: «Die Ausbildungen, die früher von jeder Firma einzeln gemacht wurden, werden vereinheitlicht und gemeinsam durchgeführt.» Die Anbieter müssten beweisen, dass sie die Risikoabläufe kennen. Gleichzeitig werde vorgeschrieben, welche Sicherheitsstandards eingehalten werden müssen oder wie das Wetter zu beurteilen sei.
Ganz eliminieren lasse sich das Risiko zwar auch damit nicht, «das kann kein Gesetz.» Doch würden die Risiken mit den vorgeschriebenen Regeln minimiert, sagt Woernhard und hält fest: «Im Vergleich zu anderen Aktivitäten, die Leute draussen alleine unternehmen, sind professionell angebotene Risikosportarten sehr sicher.»
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