Die Schweiz war 1992 tief gespalten. Bei der EWR-Abstimmung gab es einen tiefen Röstigraben, grosse Differenzen zwischen Stadt und Land und letztlich ein knappes Volks-Nein. 20 Jahre danach haben sich die Emotionen etwas gelegt. Das damalige EWR-Nein wird von einer Mehrheit der Stimmberechtigten rückblickend als richtig erachtet, wie eine Umfrage 20 Jahre nach dem EWR-Nein von gfs.bern im Auftrag der SRG SSR zeigt.
Röstigraben zugeschüttet
54 Prozent der Stimmberechtigten denken, das EWR-Nein war richtig. Für 23 Prozent ist er falsch. 14 Prozent der Befragten sind in dieser Frage unentschieden und 9 Prozent konnten oder wollten keine Antwort geben.
Zu weiten Teilen verschwunden sind die räumlichen Gegensätze von 1992. Mehrheiten in allen Sprachregionen – aber auch in Stadt und Land halten den damaligen Entscheid für richtig. Auffällig: speziell die Städte und auch die Romandie haben ihre Haltung geändert. So sind heute in der Westschweiz 62 Prozent der Meinung, das Nein war richtig. In der italienischsprachigen Schweiz sind es 58. Die Deutschschweiz stimmt dieser Meinung mit 52 Prozent überein.
Auch bei der Parteibasis wird der Volksentscheid heute anders bewertet. Während die FDP 1992 mehrheitlich für den EWR-Beitritt stimmten, findet heute eine knappe Mehrheit von 52 Prozent dass das damalige Nein richtig war. Bei der CVP ist die Mehrheit ebenfalls gekippt – aber auch bei den Wählern der SVP und SP hat die Distanz zum EWR zugenommen.
Gewisse Ernüchterung bei den Bilateralen
Auch das Ja zu den bilateralen Verträgen im Jahr 2000 wird rückblickend positiv bewertet. 62 Prozent der Stimmberechtigten erachten den Entscheid für richtig, 17 Prozent nennen ihn falsch.
Die Wählerschaft der SVP glaubt zwar auch heute noch nur zu 40 Prozent, dass der Entscheid zu den Bilateralen richtig war. Allerdings hat die Zustimmung hier deutlich zugenommen. Bei der Basis von FDP, CVP und SP hat die Zustimmung zum bilateralen Weg hingegen abgenommen. Aber: In diesen Parteien stehen immer noch deutliche Mehrheiten hinter diesem Weg.
Geblieben ist die Unzufriedenheit der italienischsprachigen Schweiz mit den Bilateralen. Lediglich 43 Prozent erachten das Volks-Ja von 2000 heute als richtig. In der Westschweiz und in der Deutschschweiz liegt dieser Wert bei 66 bzw. 62 Prozent.
Ein zentraler Punkt der Debatte um die bilateralen Verträge ist die Personenfreizügigkeit. 60 Prozent der Befragten ziehen eine überwiegen positive Bilanz.
28 Prozent befürworten die Personenfreizügigkeit vor allem aus wirtschaftsliberalen Gründen. 32 Prozent sind zwar dafür, zeigen aber Bedenken aufgrund der gesellschaftlichen Auswirkungen. Dieses Argument ist nicht zu vernachlässigen, wie Claude Longchamp zur «Tagesschau» sagte.
Müsste die Schweiz künftig automatisch EU-Recht übernehmen, um weiterhin Zugang zum Binnenmarkt zu haben, würden dies 43 Prozent der Stimmberechtigten befürworten und 41 Prozent ablehnen.
Doch die Meinungen sind nicht abschliessend gemacht, wie Claude Longchamp betont: «Souveränitätsfragen sind besonders heikel.» Wenn die wirtschaftlichen Vorteile hier nicht ersichtlich seien, so würde die Schweizer Bevölkerung skeptisch reagieren, so Longchamp.
Keine Alternative zu den Bilateralen
Wie weiter mit den Beziehungen zur EU? Das Schweizer Stimmvolk hat eine klare Meinung. Von gfs.bern danach befragt, wie das künftige Verhältnis in erster Priorität aussehen soll, zeigt sich eine klare Präferenz für den bilateralen Weg.
63 Prozent wollen diesen weiter gehen. Ein EWR- oder gar ein EU-Beitritt sind nur bei einer kleinen Minderheit ein Thema. Aber auch eine Kündigung der bilateralen Verträge wird nicht wirklich als Alternative angesehen.