Nach dem gestrigen Treffen mit dem saudischen Finanzminister Mohammed al-Dschadan am WEF sagte Bundespräsident Ueli Maurer zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA: «Wir haben den Fall Khashoggi, der die Welt beschäftigt, schon lange abgehandelt.» Doch ist der Fall für die Schweiz tatsächlich «schon lange abgehandelt»? CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter steht hinter der Aussage: Den Dialog weiterzuführen sei wichtig und richtig.
SRF News: Wie ist Ihre Reaktion auf Maurers Aussage, die Affäre um den getöteten Journalisten Jamal Khashoggi sei abgehakt?
Elisabeth Schneider-Schneiter: Ich finde es wichtig, dass die Schweiz den Dialog mit Saudi-Arabien weiterführt. Der Finanzdialog kann dazu führen, dass wir diesen Dialog erreichen. Denn dieser ist auch sehr wichtig, um die vielen humanitären Fragen, welche sich die Schweiz immer wieder stellt, anzugehen.
Im Dialog bleiben ist das Eine. Aber geht diese Aussage nicht viel weiter?
Der Fall Khashoggi war sicher eine tragische Affäre. Aber ich teile Maurers Haltung, dass es der Schweiz nicht darum gehen kann, diesen Fall weiterzuführen. Für mich hat die Affäre ausgelöst, dass die humanitäre Katastrophe im Jemen in den Fokus gerückt ist. Die Schweiz wird sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass diese humanitäre Katastrophe angegangen werden kann, und dass diesbezüglich auch der Dialog mit Saudi-Arabien weitergeführt werden kann. Und wenn der Finanzdialog dazu führt, dieses schwierige Thema anzugehen, dann sind wir einen Schritt weiter.
Die Handlungsmöglichkeit der Schweiz im Fall Khashoggi ist sehr beschränkt.
Müsste die Schweiz angesichts des Angriffs auf die Pressefreiheit in dem Fall nicht eine lückenlose Aufklärung von Khashoggis Tod unterstützen?
Die Handlungsmöglichkeit der Schweiz im Fall Khashoggi ist sehr beschränkt. Die Schweiz hat ja auch schon verschiedentlich ausgedrückt, dass sie diesen Fall aufs Schärfste verurteilt. Aber viel wichtiger ist es für uns und unsere humanitäre Tradition, sich hier auf die Katastrophe zu konzentrieren, welche im Moment in Jemen passiert. Und da kann ein Wirtschaftsdialog seitens des Bundesrates helfen, Lösungen herbeizuführen.
Der Fall hat dazu geführt, dass die zuständige Parlamentskommission entschied, ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Saudi-Arabien auf Eis zu legen. Ganz ignoriert wird der Fall also nicht.
Es ist richtig, dass man diesen Fall nicht ignoriert. Das Parlament hat sich ja auch mit den Kriegsgüterexporten auseinandergesetzt. Es ist richtig, dass man deutliche Zeichen nach Saudi-Arabien sendet, dass solche Vorkommnisse nicht akzeptiert werden können. Und trotz allem ist es wichtig, den Dialog aufrechtzuerhalten. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit kann dazu führen, dass wir einen Dialog führen können, auch bezüglich derartiger Affären.
Maurer sagte auch, dass man die Beziehungen zu Saudi-Arabien wieder normalisieren wolle. Geht die Schweizer Politik zurück zum Tagesgeschäft?
Nein, die Schweizer Politik darf nicht zurück zum Tagesgeschäft gehen. Wir haben diese humanitäre Katastrophe in Jemen, welche wir aufs Schärfste verurteilen, also auch das Vorgehen von Saudi-Arabien. Wir befassen uns mit den Kriegsgüterexporten der Schweiz nach Saudi-Arabien, und auch hier werden Gespräche geführt und müssen Massnahmen ergriffen werden.
Wenn Gespräche geführt werden, heisst das nicht, dass die Schweiz das Vorgehen Saudi-Arabiens in den verschiedenen Bereichen goutiert.
Die Schweiz wird ihre guten Dienste zur Verfügung stellen. Wenn Gespräche geführt werden, heisst das nicht, dass die Schweiz das Vorgehen Saudi-Arabiens in den verschiedenen Bereichen goutiert, sondern dass der Dialog ein Zugang sein kann, um die Bewältigung von humanitären Katastrophen anzugehen.
Das Gespräch führte Jonathan Fisch.