Derzeit existieren an Schweizer Universitäten über 300 Kooperationen mit Dritten – überwiegend bestehend aus privaten Geldgebern. Hinzu kommen mehr als 1300 Nebenbeschäftigungen, welche Professoren an Schweizer Universitäten und ETHs deklariert haben. Dies zeigt die Recherche von SRF Data, Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen, die erstmals systematisch offen legt, welche Verbindungen schweizweit zwischen Universitäten und Privatwirtschaft bestehen.
Ein Beispiel ist die Firma Sandoz. Der Schweizer Pharmariese sponsert direkt oder über die Sandoz-Familienstiftung sechs Professuren an vier verschiedenen Universitäten, unter anderem in den Bereichen Chemie und Mikrobiologie. Hinzu kommt, dass ETH-Ratspräsident Fritz Schiesser im Verwaltungsrat der Sandoz-Familienstiftung sitzt. Damit ist Sandoz eine von über 2000 Organisationen, die eine Verbindung zu einer universitären Hochschule unterhält.
Anstieg an Forschungs-Sponsoring durch Dritte
Universitäre Hochschulen sind das Gehirn einer Gesellschaft. In ihnen wird Wissen gesammelt, vernetzt und neu geschaffen. Gestützt vom Staat und grösstenteils finanziert durch Steuern, können Wissenschaftler unabhängig an jenen Themen forschen, welche die Gesellschaft verbessern könnten – etwa an der Heilung von schweren Krankheiten oder an der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen.
Seit ein paar Jahren kommt das Geld vermehrt aus anderen Quellen als den staatlichen. Grosskonzerne, Stiftungen oder andere Organisationen investieren zunehmend in die universitäre Forschung. Sie sponsern Professuren, lancieren Forschungskooperationen oder statten Professoren mit Forschungs- und Beratungsmandaten aus.
Wenn alles sorgfältig geregelt ist, muss die Finanzierung von Forschung durch Dritte kein Problem darstellen. Sie ist von Bund und Kantonen sogar gewünscht: So können sie ihr eigenes Budget entlasten. Bloss: Bisher herrschte wenig Transparenz, welche Organisationen an den Universitäten mitmischen – und was genau in den Verträgen geregelt war. Erst in den letzten paar Jahren gab es vereinzelt Universitäten, die Transparenz schufen. So ging 2014 ein Aufschrei durch die universitäre Landschaft, als die Inhalte der Verträge bekannt wurden, mit welchen sich die ETH Lausanne (EPFL) zwei Professuren von Nestlé sponsern lässt, ebenso die Kooperationen zwischen ETH Zürich mit Syngenta und der Universität Zürich mit UBS. Die aufwändige Recherche von SRF Data zeigt jetzt, dass Sponsoring-Verträge an allen Universitäten und eidgenössischen technischen Hochschulen gang und gäbe sind.
SRF Data hat mit Hilfe des eidgenössischen und der kantonalen Öffentlichkeitsgesetze während zehn Monaten Informationen über die Verbindungen zwischen Universitäten und Dritten gesammelt. Erstmals ist es so möglich, schweizweit eine Übersicht zu bieten, welche Verbindungen zwischen universitären Hochschulen und Dritten bestehen. Diese sogenannten Interessenbindungen können aus gesponserten Professuren, nicht zweckbestimmten Spenden oder auch Nebenbeschäftigungen und Mandaten von Professoren, Universitätsräten oder Stiftungsräten bestehen. In der interaktiven Grafik am Ende des Artikels lassen sich alle diese Interessenbindungen erkundigen – und nach Namen von Firmen oder Professoren durchsuchen.
Durchschnittlich jede zehnte Professur an den ETHs gesponsert
Wahrscheinlich am nächsten dran am Wissenschaftsbetrieb sind Geldgeber bei spezifischen Kooperationen. In der Datenbank finden sich über 300 solcher Vereinbarungen zwischen Universitäten und Dritten – darunter private Firmen, öffentliche Stellen und andere Universitäten. Am meisten Kooperationen kann die Universität Lausanne vorweisen: 59. Dabei handelt es sich um sogenannte Co-Finanzierungen, wo mehrere Geldgeber gemeinsam eine Professur finanzieren. Pikant: Die Universität lässt sich nur begrenzt in die Karten schauen. Sie gibt lediglich an, von wo das Geld stammt – nicht wofür es eingesetzt wird.
Im Verhältnis zur gesamten Anzahl Professuren stehen die zwei durch den Bund finanzierten technischen Hochschulen an der Spitze: An den beiden ETHs in Zürich und in Lausanne ist durchschnittlich jeder zehnte Lehrstuhl von Dritten mitfinanziert. Die Daten geben überdies Einblick, für welche Gebiete sich Dritte besonders interessieren. So werden in den Bereichen «Informatik/Technologie» und «Wirtschaft» überdurchschnittlich oft Professuren gesponsert. Weiter ist auffällig, dass Geldgeber aus der Pharmabranche (Sandoz, Merck Serono) sowie aus der Energiebranche (Axpo, BKW, Alpiq) überdurchschnittlich viele Professuren finanzieren. Aber auch aus den Branchen «Bildung & Forschung» sowie «Gesellschaft, Soziales, Kultur & Sport» stammen viele Organisationen – darunter zum Beispiel Firmen, sowie gemeinnützige Stiftungen und Partneruniversitäten.
Teils problematische Verträge
Der Teufel steckt dabei in den Details. Was bekommt der Sponsor als Gegenleistung von der Universität? Wo kann er mitentscheiden? Diese Fragen werden in umfangreichen Verträgen geregelt. Verträge, die nur schwer einsehbar sind. Dabei sagen die Details viel über Motivation von Universitäten und ihren Geldgebern aus. Im Fall Merck kommt die EPFL dem Pharmariesen so weit entgegen, dass es – gemäss Kritikern – «massiv» die Forschungsfreiheit tangiert. In anderen Fällen wird den Sponsoren deutlich weniger Einfluss zugestanden. «Die akademische Freiheit», so steht es denn auch in den meisten Verträgen, «muss gewährleistet sein.»
Doch wie unabhängig kann ein Professor forschen, wenn seine Stelle von einem profitorientierten Unternehmen oder einer politisch motivierten Stiftung finanziert ist? «Bei der ETH Zürich ist es so, dass wir zuerst die Professuren definieren und dann erst nach Donatoren suchen.» sagt Donald Tillman, Geschäftsführer der ETH Zürich Foundation. Der zuständige Professor habe weder einen direkten Vertrag noch eine emotionale Bindung zu den Geldgebern. Er sei deshalb gleichgestellt wie jeder andere ETH Professor. Und Tillman hält fest: «Eine solche Professur ist frei in Forschung, Lehre und Publikation. Dies ist auch in den Verträgen so festgehalten.» Bei unanständigen Forderungen von Seiten der Geldgeber würde man einfach ablehnen.
Markus Müller, Staatsrechts-Professor in Bern, sieht das anders: «Vertragsklauseln, welche die akademische Freiheit garantieren, bringen noch gar nichts. Es bedarf zusätzlicher Regeln.» So dürften gemäss Müller keine Einwirkungen auf die Tätigkeit, Richtung und Ergebnisse der Forschung stattfinden. «Am Ende geht es darum, die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Universität zu stärken.» sagt Müller.
Mitarbeit: Anna Wepfer, Angelo Zehr.