«Singen befreit. Und macht gute Laune», dies sagt Benno Felder. Der 53-jährige Gemeindeschreiber aus Hitzkirch im Kanton Luzern ist passionierter Laiensänger. Er singt unter anderem im Hitzkircher Chor «Singspiration» . Nach einem strengen Arbeitstag eineinhalb Stunden lang mit dem Chor zu proben und Melodien zu singen, das tue einfach der Seele gut, sagt Benno Felder. Dieser Ausgleich fehlt. Schon lange.
Chorproben nach einem strengen Arbeitstag tun einfach der Seele gut.
Seit Ende Oktober hat der Bund verordnet, dass die Chöre verstummen müssen. Es ist nicht das erste Mal seit Beginn der Pandemie. Schon im Frühling 2020 mussten die Chöre für längere Zeit pausieren.
Diese Zwangspause ist auch für Lydia Barmettler schwierig. Die 37-jährige Bäuerin aus Kägiswil im Kanton Obwalden singt im Jodlerklub «Bärgsee Lungern».
Es wurde mir etwas weggenommen, was mir sehr wichtig ist.
Dass die wöchentliche Probe ausfällt, macht ihr zu schaffen: «Ich bin mit dem Naturjodel aufgewachsen. Mein Vater hat gejodelt, meine Mutter hat ebenfalls gesungen. Ich kann fast nicht beschreiben, was es bei mir auslöst, wenn ich nicht singen darf. Trauer auf jeden Fall». Es werde ihr etwas weggenommen, was ihr sehr wichtig sei.
«Beim Singen geht bei mir die Seele auf, das Herz fängt an zu strahlen», sagt Lydia Barmettler.
Singen ist gut für Körper und Geist
Dass Singen gut fürs Gemüt ist, wie das Lydia Barmettler und Benno Felder empfinden, sei nicht nur ein Gefühl, sagt Valentin Gloor. Er ist Profisänger und Direktor der Hochschule Luzern Musik. Es gäbe mehrere Studien, die belegen, dass Singen nicht nur körperlich, sondern auch für die Psyche gesund sei. «Es ist nachgewiesen, dass Singen bestimmte Hormone ausschüttet, welche das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern», sagt Valentin Gloor. Man habe auch die Herzfrequenzen untersucht. Man habe dabei festgestellt, dass Leute, die singen, einen niedrigeren Puls haben, also einen ausgeglicheneren Ruhepuls.
Im Chor singt man gemeinsam Melodien, synchronisiert sich. «Es ist ebenfalls wissenschaftlich erwiesen, dass dieses gemeinsame Singen eine Auswirkung auf die psychische Gesundheit hat», sagt Valentin Gloor.
Wenn jemand regelmässig im Chor singe und dies wie jetzt wegen der Pandemie wegfalle, dann könne das zu einer gewissen Verlorenheit führen: «Es kommt die Sehnsucht nach diesem Gefühl der Gemeinschaft auf.»
Singen im Auto, Jodeln über die Berge hinweg
Benno Felder erzählt, dass sein Chor «Singspiration» versucht habe, Onlineproben durchzuführen. Aber: «Am PC singen, das ist sowas von trostlos.» Da tröste er sich lieber damit, Musik zu hören oder ab und zu mal alleine im Auto zu singen.
Lydia Barmettler nimmt immer mal wieder auf ihrem Bauernhof die Noten zur Hand. «Wenn der Moment passt, zum Beispiel beim Heuen, dann muss ich einfach auch mal einen Juiz über die Berge hinweg schicken». Juizen trotz allem – das sei ihre Art und Weise, die momentane Situation zu verarbeiten.