Laurent Goetschel war Berater der ehemaligen Bundesrätin und Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Nach Ansicht des Politologen am Europainstitut der Universität Basel werde die Schweiz mit dem «Inländervorrang light» eine Lösung mit der EU finden.
Dieser Vorschlag stammt von der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats. «Man verlangt keine Zugeständnisse von Brüssel. Das Personenfreizügigkeits-Abkommen würde damit nicht tangiert und folglich braucht man keine Zustimmung von der EU», ist Goetschel überzeugt.
Der «Inländervorrang light» will die Zuwanderung in drei Stufen senken:
1. Zuerst das inländische Arbeitskraftpotenzial ausschöpfen.
2. Reicht das nicht aus, gibt es eine Meldepflicht für freie Stellen.
3. Bei «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen kann der Bundesrat weitere Abhilfemassnahmen beschliessen». Würden aber solche Abhilfemassnahmen die Personenfreizügigkeit verletzen, kann sie die Schweiz nur gemeinsam mit der EU beschliessen.
Personenfreizügigkeit ist sakrosankt
Nur sagte nicht zum ersten Mal EU-Kommissionspräsident Juncker diese Woche bei seiner Rede zur Lage der Union: «Es wird keinen Binnenmarkt à la carte geben.» Einschränkungen der Freizügigkeit kämen nicht in Frage. Entsprechend kühl war denn auch die Stellungnahme der EU-Kommission auf den Schweizer Kommissionsvorschlag in einem internen Papier an die EU-Mitgliedstaaten.
Das Papier stellt wichtige Punkte des Kommissionsvorschlags in Frage:
1. Wer sagt, was «schwerwiegende wirtschaftliche oder soziale Probleme sind?»
2. Wer sagt, was die Freizügigkeit verletzt und was nicht?
3. Wer sagt, was im Streitfall gilt?
Darum pocht die EU weiter auf ein umfassendes Rahmenabkommen und will bilaterale Streitfälle vom Europäischen Gerichtshof beurteilen lassen.
Pariert wie beim Boxen
Für Goetschel ist aber derzeit die Chance für die Durchsetzung eines Rahmenabkommens kein Thema: «Die Schweiz ist der EU ausgewichen, fast wie man einem Schlag in einem Boxkampf. Aber die Schweiz ist nach wie vor interessiert, mit der EU weitere bilaterale Abkommen zu schliessen. Spätestens dann wird die EU wieder auf ein Rahmenabkommen drängen.»
Es ist also absehbar, dass Bundespräsident Schneider-Ammann beim Treffen mit Juncker in Zürich viel weniger als auch schon unter Druck sein wird. Aber nur, wenn das Parlament beim Vorschlag «Inländervorrang light» bleibt.