- Die Einwohnerinnen und Einwohner von Brienz im Kanton Graubünden müssen bis Freitagabend wegen eines drohenden Felssturzes ihr Dorf verlassen.
- Der Gemeindeführungsstab hat die Brienzer Bevölkerung am Abend über die Evakuierung informiert.
- Auch eine Sofort-Evakuierung vor Freitag könne nicht ausgeschlossen werden.
Ein Felsvolumen von zwei Millionen Kubikmetern bewege sich so stark, dass in den kommenden ein bis drei Wochen damit zu rechnen sei, dass es abbricht, teilte die Behörde mit. Der Führungsstab hat deshalb die Phase Orange und damit die Evakuierung von Brienz verfügt.
Ab Freitagabend darf bis auf Weiteres niemand mehr im Dorf übernachten. Ab Samstag kann die Bevölkerung tagsüber ins Dorf, sofern die Gefährdung es zulässt. Die Evakuierung des Grossviehs werde von der Gemeinde organisiert, wie Pascal Porchet vom Amt für Militär und Zivilschutz Graubünden an der Informationsveranstaltung bekannt gab.
Bergrutsch beschleunigt sich
Der Entscheid sei aufgrund der Datenlage rasch und einstimmig gefällt worden, sagte Stefan Schneider, Leiter des Frühwarndienstes. Die aktuellen Messungen zeigten eine starke Beschleunigung auf einer grossen Fläche. Bis zu zwei Millionen Kubikmeter Felsmaterial dürften in 7 bis 24 Tagen abstürzen oder abrutschen. Die Art und Weise, wie die «Insel» abbrechen werde, könne nicht exakt vorhergesagt werden, sagte Schneider.
Am wahrscheinlichsten sind zahlreiche Felsstürze von einigen Tausend bis mehreren Hunderttausend Kubikmetern. Weniger wahrscheinlich ist ein Abrutschen durch einen länger dauernden Schuttstrom. Ebenfalls nicht ganz auszuschliessen ist ein grosser, schneller Bergsturz mit mehr als 500'000 Kubikmetern.
Sobald ein Abbrechen der Felsmassen noch drei bis zehn Tage bevorsteht, wird der Gemeindeführungsstab die Phase Rot verfügen. Das Betreten von Brienz ist dann auch tagsüber nicht mehr möglich und das Grossvieh wird weggebracht. Die Kantonsstrasse Tiefencastel-Filisur, die Albulalinie der Rhätischen Bahn und die Passstrasse Tiefencastel-Lenzerheide bleiben vorerst geöffnet.
Sofort-Evakuierung nicht ausgeschlossen
Auch eine Sofort-Evakuierung sei denkbar, so Schneider. «Sollte sich die Lage vor Freitagabend unerwartet schneller verschlechtern als erwartet, muss der Notnagel ‹Evakuation akut› ausgelöst werden.»
Im Falle einer Sofort-Evakuierung werde die Brienzer Bevölkerung mittels Alarmsirenen informiert, sagte Pascal Porchet. Daraufhin müsste das Dorf ohne Verzögerung sofort verlassen werden. Weiter informierte Porchet, dass das Dorf nach der Evakuierung videoüberwacht werden, um es vor Plünderungen und anderen Sachbeschädigungen zu schützen. Aus taktischen Gründen könne die Art der Überwachung nicht genauer bekannt gegeben werden.
Unterstützung bei Wohnungssuche
«Es ist klar, es ist eine schwierige Situation», sagte der Bündner Regierungspräsident Peter Peyer. Die Brienzer Bevölkerung sei sich Krisenbewältigung leider seit den letzten drei Jahren gewohnt. «Wir sind geübt darin und wissen, wie es geht», so Peyer. Wichtig sei, dass alle Bewohner das Dorf innert nützlicher Frist unbeschadet verlassen könnten.
In Brienz sind laut Christian Gartmann, Mediensprecher der Gemeinde, rund 85 Personen gemeldet. 50 bis 60 Bewohnerinnen und Bewohner bräuchten provisorisch eine zweite Wohnung. Zur Unterstützung stellt die Gemeinde ein Möbellager zur Verfügung und hilft bei der Wohnungssuche.