Nach den Ausschreitungen der letzten Tage bedauert die Berner Stadtregierung die Eskalation «zutiefst». Sie ruft dazu auf, den Dialog zu führen und jegliche Gewaltanwendungen zu unterlassen.
SRF fragte den Stadtpräsidenten Alec von Graffenried, ob solche Ausschreitungen toleriert würden?
Alec von Graffenried: Nein, ich toleriere das nicht. Ich bedaure die Eskalation. Es war kein guter Abend für Bern gestern.
SRF: Was heisst das konkret? Die Forderung steht auf dem Tisch: Immer wieder kommt es vor der Reitschule zu solchen Vorfällen. Wird die Reitschule unter Ihnen nun geschlossen?
Man muss das differenzieren. Die Reitschule ist vor allem ein Kulturzentrum. Tausend bis Zweitausend Leute verbringen dort jede Nacht am Wochenende ihren Ausgang. Rund um die Reitschule hat es mehrere weitere Lokale. Dort findet der Ausgang der Stadt Bern statt. Gestern Abend war eine gewaltbereite Gruppe im Bereich der Reitschule, welche die Konfrontation mit der Polizei gesucht hat und diese Konfrontation auch erhalten hat.
Die Reithalle wird also nicht geschlossen. Ein bisschen zugespitzt: Eine Laissez-faire-Politik wie bisher?
Nein, es ist keine Laissez-faire-Politik. Uns ist wichtig, dass es keine Gewalteskalation gibt im Stadtgebiet. Dass die Bürger und die Stadt möglichst geschützt werden. Das ist das Ziel, daran halten wir fest. Und das haben wir auch umgesetzt – auch gestern Abend.
Welche konkreten Massnahmen haben Sie nun geplant?
Wir werden das analysieren. Wir wollen nicht, dass es eine Fortsetzung gibt, und wir werden die nötigen Massnahmen diskutieren.
Die Demonstranten wollen in den nächsten Tagen weiter demonstrieren.
Ich denke, der Rückhalt bei den Demonstranten ist am Bröckeln. Der Ausgangspunkt war die Hausbesetzung, die aufgelöst worden ist. Einige Leute hatten dort noch Sympathie für das Problem der Wohnungsnot. Doch für die Art und Weise der Gewalteskalation von gestern Abend fehlt das Verständnis in breiten Teilen der Bevölkerung.
Die Aktivisten sprechen von einer «immensen Repression durch die Polizei». Wieso haben Sie diese Demonstranten – ein paar Dutzend – nicht einfach gewähren lassen?
Genau das wollten wir nicht. Es war auch keine Repression. Die Polizei hat einfach ihren Auftag erfüllt, die Ausbreitung zu verhindern, und hat die Strassen geschlossen, als dort mit Gewalt ein Durchgang erzwungen werden sollte.
In ihrer Medienmitteilung von heute schreiben Sie von «allfälligen legitimen politischen Forderungen».
Das waren alle anderen Forderungen. Die Demonstranten gestern Abend haben keine Forderungen an uns herangetragen. Die Demonstrationen gestern Abend waren kein Diskussionsangebot.
Sie rufen zum Dialog auf, immer noch. Dieser Dialog, der fruchtet aber seit Jahren überhaupt nicht.
Doch natürlich! Bern ist eine dialogbereite Stadt. Wir führen sehr viele Dialoge und werden das auch weiterhin tun. Wer mit uns das Gespräch sucht, wird das Gespräch auch erhalten. Gewalt ist kein Gesprächsangebot.
Szenekenner der Reitschule beschreiben die Aktivisten als politisch uninteressiert und wohlstandsverwahrlost, als Jugendliche, die einfach den Kick suchen und Spass an Krawallen haben. Das kann eine Stadt doch nicht tolerieren.
Natürlich nicht, das tolerieren wir auch nicht. Dafür haben wir die Polizei, und sie soll die Stadt und die Bevölkerung vor solchen Angriffen schützen. Und das tut sie auch.
In den sozialen Medien schütteln Menschen aus dem In- und Ausland verwundert den Kopf über diese Krawalle. Fürchten Sie nicht um den Ruf und das Image Ihrer Stadt?
Natürlich fürchte ich um den Ruf. Das sind keine guten Nächte für Bern. Ich wünschte mir natürlich auch, dass es andere Publicity gäbe für Bern. Deshalb versuchen wir auch, das zu unterbinden. Doch wie wir gesehen haben, ist das nicht ganz einfach.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.