Das Wichtigste in Kürze:
- Bei pränatalen Test zu Krankheiten sollen werdende Eltern auch das Geschlecht des Ungeborenen erfahren dürfen.
- Die Nationale Ethikkommission sieht – anders als der Bundesrat – keinen Grund für ein Informationsverbot in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen.
- Recherchen zeigen: Insbesondere bei Migrantenfamilien kann die Geschlechterfrage zu Abtreibungen führen.
Ob Mädchen oder Junge: Wer sich ein Kind wünscht, freut sich über beides – könnte man meinen. Doch das ist nicht bei allen Paaren so. Recherchen von SRF News zeigen: Es gibt auch in der Schweiz Paare, die bereit wären, ein Kind abzutreiben, wenn es nicht das gewünschte Geschlecht hat.
Daniel Surbek ist Chefarzt der Frauenklinik im Inselspital Bern. Er sagt: «Wenn man den Eltern das Geschlecht des Kindes in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen mitteilt, ist für mich klar, dass es Fälle gibt, in denen die Schwangerschaft abgebrochen wird.» Das sei in der Schweiz gesetzlich möglich und werde auch gemacht, sagt Surbek.
Ärzten rechnen vermehrt mit Abtreibungen
Surbek spricht aus Erfahrung. Er erlebe regelmässig, dass Paare solche Wünsche äussern würden. Und er ist nicht der Einzige. Thomas Eggimann, Frauenarzt und Geschäftsführer des Verbands der Schweizer Gynäkologen, sagt: «Es gibt immer wieder Anfragen, welches Geschlecht das Kind hat. Teils auch aus religiösen Gründen.»
Religiöse Gründe, der Wunsch nach einem männlichen Stammhalter: Das komme vor. Besonders bei Migrantinnen und Migranten aus dem Nahen Osten oder etwa aus Indien. Ebenso könne die Angst vor Erbkrankheiten, die nur ein bestimmtes Geschlecht betreffen, ausschlaggebend sein.
Vor allem bei Paaren mit Migrationshintergrund gibt es solche Fälle. Das finden wir als Ethikkommission auch hochproblematisch.
Doch was auch die Motivation sein mag: Die Ärzte sind überzeugt, dass es zu Abtreibungen aufgrund des Geschlechts kommen würde. Das bestätigt neben dem Geschäftsführer auch der Präsident des Gynäkologen-Verbandes.
Wie viele solche Fälle es geben würde, ist schwierig zu sagen. Zahlen gibt es keine. Surbek schätzt aber: «Ich kann mir für die ganze Schweiz vorstellen, dass Abtreibung vielleicht bei 100 Fällen pro Jahr ein Thema ist.»
Ethikkommission gegen Informationsverbot
Auch die Nationale Ethikkommission zweifelt nicht daran, dass es solche Fälle gibt. Vize-Präsident Markus Zimmermann sagt: «Vor allem bei Paaren mit Migrationshintergrund gibt es solche Fälle. Das finden wir als Ethikkommission auch hochproblematisch.»
Ein Verbot, den Eltern das Geschlecht mitzuteilen, sei aber keine Lösung. Dies sei schliesslich nur eine Information unter vielen, die solche Gentests zutage bringen: «Es ist zu befürchten: Wenn ein kleines Verbot eingeführt wird, ist das nächste bereits geplant. Wo nimmt das dann Ende ein Ende?»