Wer ein Selfie macht, fotografiert sich selbst mit dem Mobiltelefon. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram sind voll mit solchen Bildern: «Ich und Katze», «Ich und der schiefe Turm von Pisa», «Ich und Ueli Maurer». Glaubt man amerikanischen Medien, folgt nun ein neuer Trend, der mit dem Phänomen ganz direkt zu tun hat: Schönheitsoperationen, um auf den Selfies besser auszusehen.
Für das perfekte Selfie freiwillig unters Messer gelegt hat sich zum Beispiel TV-Produzentin Triana Lavey aus Los Angeles. Irgendwann reichte es der 38-Jährigen nicht mehr, mit herkömmlicher Bildbearbeitungssoftware das Maximum aus ihren Selbstporträts zu holen. Sie gönnte sich ein Kinnimplantat. Nachdem auch Wange und Nase gemacht waren, sagte Lavey zufrieden: «Ich sehe nun aus wie ich mit Photoshop.»
Auf das Selfie folgt das Relfie
Ebenfalls gerade stark nachgefragt in den USA: Hände glätten oder aufspritzen, damit das Selfie mit dem Verlobungsring (Relfie) makellos aussieht. Die Prozedur dauert fünf bis zehn Minuten und kostet etwas mehr als 1000 Franken. Ob die beiden Reality-TV-Darstellerinnen Kim Kardashian und Lauren Conrad die Botox-Klinik aufgesucht haben, bevor sie ihre Relfies mit Millionen von Fans auf der Welt geteilt haben, ist allerdings nicht bekannt.
Das Geschäft mit Schönheit und vermeintlich ewiger Jugend floriert. Denn niemand mag mehr altern. Prominente und zuweilen furchteinflössende Vorbilder sind Stars wie Madonna, Meg Ryan oder Mickey Rourke. Ende Mai gab Nestlé bekannt, über eine Milliarde Franken ins Anti-Falten-Business in Nordamerika zu investieren. Und auch in der Schweiz sind immer mehr Menschen bereit, für ihre Schönheit tief ins Portemonnaie zu greifen – und sich auf einen OP-Tisch zu legen.
Gemäss Acredis, einer Gruppe von führenden Schönheitschirurgen, haben medizinisch nicht notwendige Eingriffe in der letzten Zeit stark zugenommen. Waren es vor fünf Jahren noch etwas mehr als 40'000 nicht krankheits- oder unfallbedingte Eingriffe, liessen sich 2013 rund 55'000 Menschen aus ästhetischen Gründen operieren, 80 Prozent davon waren Frauen. Während in den USA, in Deutschland oder Italien Brustvergrösserungen am populärsten sind, ist es hierzulande das Fettabsaugen.
Laut Acredis haben Schweizerinnen und Schweizer 2012 zwischen 400 und 500 Millionen Franken für Schönheitsoperationen ausgegeben. Je nachdem, wo man sich behandeln lässt, kostet eine Nasenkorrektur mehr oder weniger. Überdurchschnittlich teuer ist es in Zürich oder Genf (10'000 Franken), etwas günstiger kommt man zu einer geraden Nase auf dem Land (6000). Eine Brustvergrösserung gibts ab 9000 Franken, ein Full-Body-Lifting ab 22'000 Franken.
Die Krankenkasse beteiligt sich nicht an diesen Kosten. Sie kommt erst zum Zug, wenn bei der Begradigung der Nase etwas schief gelaufen ist. Kommt es nach einer Operation zu Komplikationen, muss die Nachbehandlung von den Versicherern bezahlt werden.
«Keine Aufgabe der Solidargemeinschaft»
Dieser Umstand ärgert CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Sie hat schon vor zwei Jahren eine Motion eingereicht, die das Parlament diese Woche diskutiert. Darin heisst es: «Der Bundesrat wird beauftragt, im Krankenversicherungsgesetz die gesetzlichen Grundlagen vorzulegen, damit Folgekosten bei Behandlungsfehlern, Komplikationen und Unverträglichkeiten nach nicht kassenpflichtigen schönheitsmedizinischen Eingriffen von der Kassenpflicht ausgenommen werden.»
Es stelle sich grundsätzlich die Frage, ob es Aufgabe einer Sozialversicherung sei, Lifestyle-Eingriffe oder deren Folgekosten mitzufinanzieren, heisst es in der Begründung zum Vorstoss, der von 18 weiteren Parlamentarieren unterzeichnet wurde. «Meines Erachtens ist dies klar keine Aufgabe der Solidargemeinschaft.»
Bundesrat winkt ab
Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Für den «Krankheitsbegriff» sei die Ursache der Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit ohne Bedeutung, sofern die Unfallkausalität ausgeschlossen werden könne. Die Kosten für Nachbehandlungen würden sich unter zwei Millionen Franken pro Jahr belaufen.
«Die Frage, ab wann eine versicherte Person Person ein Verschulden für einen Gesundheitsschaden trägt, ist auch unter dem Gesichtspunkt der Ethik sehr heikel», schreibt der Bundesrat. Es gebe zahlreiche weitere Verhaltensweisen und als Risiken geltende Tätigkeiten, die gesundheitsschädigende Auswirkungen haben könnten.
Was ist zum Beispiel mit dem überambitionierten Tennisspieler, der jede freie Minute das Racket schwingt und dann vom Arzt die Diagnose «Tennisarm» bekommt? CVP-Nationalrätin Ruth Humbel: «Man spielt Tennis, um fit zu bleiben. Und man spritzt sich mit Botox ein Gift, um jünger zu wirken. Das ist doch ein Unterschied.»