20 Jahre nach der Schliessung der offenen Drogenszene in Zürich sind Gesellschaft und Gesundheitswesen mit einer wachsenden Herausforderung konfrontiert. Wie geht man um mit den Drogensüchtigen, die in die Jahre gekommen sind?
«Eine genaue Zahl älterer Drogenabhängiger in Behandlung ist schwierig zu nennen», sagt Markus Jann, Leiter Sektion Drogen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu SRF News. «Viele treten bereits in jungen Jahren in Therapie ein», so Jann weiter. Einige schafften den Absprung, einige würden jedoch auch wiederholt rückfällig oder chronisch krank.
Inzwischen hat sich das Gesundheitswesen diesem Bedarf angepasst. «Es gibt einige Einrichtungen, welche sich auf die Pflege Heroinabhängiger spezialisiert haben». Weiter gebe es auch Altersheime, z.B. in Spiez, welche für solche Klienten eingerichtet sind.
Der Bedarf steige zwar, so Jann, das Angebot sei mit der Veränderung der Bedürfnisse aber mitgewachsen.
«Oft bricht das soziale Netz völlig zusammen»
Das Pflegeangebot erfolgt in zwei Schritten. Ziel sei das Erreichen der Abstinenz, so Jann, und danach die Erhaltung der Abstinenz. Nach der medizinischen Betreuung spielt somit auch die soziale Betreuung eine grosse Rolle.
«Diejenigen, welche es nicht schaffen, abstinent zu leben, bedürfen besonderer sozialer Behandlung», erklärt Jann. Oft breche bei solchen Patienten das soziale Netz völlig zusammen, sie verlieren Freunde und Familie. «Ein erfolgreich eingesetztes Auffangnetz bietet die Möglichkeit betreuten Wohnens».
War die Suchtpolitik bislang vor allem auf die Substanzen ausgerichtet, wird Sucht seit den 2000er-Jahren viel mehr als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet. Im Mittelpunkt steht also die psychische Erkrankung unabhängig von der Substanz.
Mit dieser «Psychiatrisierung» der Sucht hat sich auch die medikamentöse Behandlung geändert: Es werden vermehrt verschiedene Psychopharmaka verschrieben (Antidepressiva, Stimmungsstabilisatoren, Neuroleptika, Anti-Craving).
Abstinenz im Alter schwerer
Alternde Drogenabhängige haben es tendenziell schwerer, sich den Drogen zu entziehen. Ausserdem dürfe man das Zusammenwirken der Medikamente und des zumeist schlechten allgemeinen Gesundheitszustands älterer Suchtpatienten nicht unterschätzen. Wird mit medizinischer Hilfe keine Abstinenz erreicht, «dann stellen sich Einrichtungen auf lebenslange Betreuungen ein», sagt Jann.
Auswirkungen der Drogensucht im Alter (Quelle: BAG)
Sie leiden häufig an unbehandelten Hepatitis-Erkrankungen, die nach etwa 20 Jahren zu schweren Komplikationen führen können. Hinzu kommen Bluthochdruck, Herzbeschwerden (ausgelöst durch ungünstige Neben- und Wechselwirkungen verschiedener Medikamente), Stoffwechselkrankheiten aufgrund von Leberinsuffizienz, Diabetes, Abszesse, Osteoporose, der Abbau von Muskeln und Sturzverletzungen aufgrund des Drogenrauschs oder von ungünstigen Co-Medikationen. Auch die Konsequenzen jahrzehntelanger gesundheitsschädigender Lebensgewohnheiten wie Rauchen, exzessiver Alkoholkonsum, schlechte Ernährung und Bewegungsmangel beschleunigen den Alterungsprozess bei Drogenabhängigen drastisch. Ebenso prekär ist ihr mentaler Zustand: Frühzeitige Demenz und Depressionen sind nur zwei der vielen psychischen Krankheiten. |
Sendebezug: Regionaljournal Zürich-Schaffhausen, 13.2.2015, 17.30 Uhr