Ob «Landshut» im Kanton Bern, das Grossprojekt «Saane-West» im Kanton Freiburg oder ein geplanter Zusammenschluss zwischen Wauwil und Egolzwil im Kanton Luzern — Gemeindefusionsprojekte haben in vielen Schweizer Kantonen auch dieses Jahr Hochkonjunktur. Selten gehen sie ohne Widerstand über die politische Bühne.
Gemeindefusionen auf dem Prüfstand
Die Kantone Aargau, Bern, Glarus, Graubünden und Zürich haben deshalb die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Chur beauftragt, ein Instrument zur Erfolgsmessung von Gemeindefusionen zu erarbeiten. Ziel ist die Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Fusionsgemeinden faktisch zu erfassen.
Konkret soll der Erfolg von Fusionen anhand von 47 Indikatoren mess- und vergleichbar werden. Darunter finden sich Kriterien wie «Selbstfinanzierungsgrad einer Gemeinde», die «Anzahl Kinderbetreuungsplätze pro Kind» oder die «Anzahl Gesuche zur Durchführung eine Veranstaltung von Vereinen».
Primäre Zielgruppe sind Präsidenten fusionierter Gemeinden
Im optimalen Fall starte der «Fusions-Check» sobald eine Fusion definitiv gutgeheissen wurde, sagt Ursin Fetz, der Co-Autor des «Fusions-Checks», gegenüber SRF News. So könnten alle vorgesehenen Erhebungen im Sinne eines aussagekräftigen Vergleichs berücksichtigt werden. Der «Fusions-Check» erfasst zunächst den Stand vor und zum Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Fusion. Schliesslich können die Daten mit einer Messung zu einem späteren Zeitpunkt verglichen werden.
Laut Ursin Fetz steht die Absicht im Vordergrund, ein Messinstrument für eine ganzheitliche Darstellung zu entwickeln. Die damit gewonnene «Aussensicht» zu den Fusionen begrüsst auch Philippe Koch, Research Associate am Zentrum für Demokratie in Aarau. Denn Daten von Fusionsgemeinden seien bisher mangelhaft. Koch sieht jedoch ein Ressourcenproblem auf kommunaler Ebene: Fragebögen im Ausmasse des «Fusions-Checks» auszufüllen, sei für manch kleine Gemeinde ein vergleichsweise hoher Arbeitsaufwand.
Mehr Transparenz kostet
Knackpunkt für den «Fusions-Check» könnten auch die Kosten werden. Ursin Fetz spricht beim «Fusions-Check» von einem «Experten-Tool», für dessen Anwendung die Expertise der HTW Chur in Anspruch genommen werden muss. Er rechnet mit 50 bis 70 Arbeitsstunden Aufwand für eine vollumfängliche Erfassung und Auswertung der Daten. Eine Offerte werde individuell auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Gemeinden abgestimmt.
«Der Kostenpunkt werde bestimmt ein Kriterium bei der Prüfung sein, ob Fusionsgemeinden vom Angebot der HTW Chur Gebrauch machen werden», sagt Judith Lauber, Leiterin des Amtes für Gemeinden im Kanton Luzern. Zudem gilt es laut Lauber das Stadium einer Fusion zu berücksichtigen: Es frage sich, ob sich der «Check» für bereits seit längerem fusionierten Gemeinden rückwirkend noch lohne.
Der Kanton Glarus jedoch will nach seiner «Grossfusion» von 2011 auf die Indikatoren der HTW Chur zurückgreifen. Allerdings fehle hierfür aktuell noch das Einverständnis einer Gemeinde, führt Urs Kundert, Leiter Fachstelle Gemeindefragen Glarus gegenüber SRF News aus.
Äpfel mit Äpfeln vergleichen
Für Ursin Fetz ist klar, dass bei den Vergleichen der jeweiligen Gemeindegrösse und -typologie Rechnung getragen werden muss. Je mehr fusionsbereite Gemeinden auf den «Fusions-Check» zurückgreifen, desto höher ist die Chance, auf einschlägige Werte zurückgreifen zu können. Dann werden passende Vergleiche möglich.
Momentan hat Fetz die Zusage von zwei Gemeinden, welche das Messinstrument über das bisherige Teststadium hinaus in die Analyse ihres Fusionsprojekts miteinfliessen lassen wollen.
Seit Jahren die gleichen Argumente
Gemeindefusionen sind seit rund 15 Jahren vermehrt auf der politischen Agenda in der Schweiz. Fetz betont, dass er am kürzlich gescheiterten Projekt «Landshut» einmal mehr feststellen musste: Die Argumente für oder gegen eine Gemeindefusion hätten sich in all den Jahren kaum verändert.
Für die Befürworter von Fusionen sind beispielsweise oft finanzielle Ersparnisse vordringlich, während Gegner einen unwiderruflichen Identitätsverlust fürchten. Die mögliche Auffrischung der Faktenlage mithilfe des «Fusions-Checks» soll die hartnäckigen Argumente künftig auf den Prüfstand stellen.