Die Bevölkerung in der Schweiz entwickelt sich je nach Kanton unterschiedlich. Entsprechend werden die Sitze im Nationalrat immer wieder neu verteilt.
Bei den eidgenössischen Wahlen 2015 werden drei Kantone je einen Sitz weniger erhalten: Bern, Solothurn und Neuenburg. Auf der anderen Seite gehören die Kantone Zürich, Aargau und Wallis zu den Gewinnern der Bevölkerungsverschiebung: Sie erhalten je einen Sitz mehr.
Laut Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.Bern könnte sich diese Neuberechnung auch auf die einzelnen Parteien auswirken. Allerdings: «Direkt lässt sich das nicht sagen, weil niemand weiss, wie die Parteienstärken und Listenverbindungen in zwei Jahren sein werden.»
Was wäre gewesen, wenn?
Aber man könne spekulieren, sagt Longchamp – etwa in dem man die Rechnung macht, was 2011 geschehen wäre, wenn wir diese Verschiebungen schon gehabt hätten. Welche Parteien hätten demnach gewonnen, welche verloren? «Es zeigt sich, dass die konservativen Kräfte leicht gestärkt worden wären, und dass die eher progressiven Kräfte etwas schwächer gewesen wären.»
Gemäss der Aufstellung wäre in Zürich der zusätzliche Sitz an die SVP gegangen. Im Wallis hätte die CVP einen Sitz mehr gemacht. In Bern hätten die Grünen einen Sitz verloren, und in Neuenburg wäre es dazu gekommen, dass die FDP auf einen Sitz hätte verzichten müssen.
Nur vermeintlicher Widerspruch
Konservative und bürgerliche Kreise könnten von der Umverteilung also profitieren. Doch ausgerechnet von der SVP kommt Kritik an der Berechnungsweise der Sitzverteilung. Die Partei möchte, dass Ausländer, die hier in der Schweiz wohnen, nicht mitgezählt werden, sondern nur die Schweizer. Schadet sie sich damit selbst?
«Man könnte meinen, das sei kontraproduktiv», so Longchamp. «Doch die SVP macht natürlich eine ganz andere Rechnung.» Sie wisse, dass es mehr oder minder auch Zufall sein kann, welche Partei einen zusätzlichen Sitz ergattert.
«Sie weiss aber auch, dass sie, wenn sie mit einem Thema die Wahlen gewinnen will, auf Ausländer setzen muss.» In diesem Sinne nütze es ihr mehr, das Wahlrecht im Wahlkampf zu thematisieren, als auf einen zusätzlichen Sitz aufgrund der Neuberechnung zu hoffen, glaubt der Politikwissenschaftler.
Gemeinderegister statt Volkszählung
Die neue Berechnung stützt sich nicht mehr auf die Volkszählung – diese wird nicht mehr durchgeführt. Dafür werden die Gemeinderegister hinzugezogen. «Mit der Volkszählung hatten wir zwar alle zehn Jahre einen recht guten Überblick, der zur Justierung der Sitzzahlen beigetragen hat.» Doch Longchamp trauert der Volkszählung nicht nach. Schliesslich habe man valablen Ersatz gefunden. «Für die neue Berechnungsmethode hat man zurecht auf die Gemeinderegister gesetzt.»