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Skigebiete unter Druck Wie Schweizer Wintersportorte um ihre Kunden kämpfen

Die Skigebiete in den Alpenregionen kämpfen um Gäste. Österreich setzt im Verdrängungskampf auf Grösse und investiert Hunderte Millionen Euro in neue Bahnen, um Skigebiete zu verbinden und auszuweiten. Der Konkurrenzdruck steigt. «10vor10» zeigt, wie die Schweiz versucht, mitzuhalten.

Kommende Woche öffnen die meisten Skigebiete ihre Pisten. Im Arlberg-Gebiet heisst die Devise: «Bauen gegen den Stillstand». 45 Millionen Euro wurden in neue Bahnen und Talstationen investiert. Entstanden ist das grösste Skigebiet Österreichs mit rund 90 Liften und über 300 Pistenkilometern.

Freeskier in Saas Fee
Legende: Freeskier in Saas Fee Keystone

Sölden im Tirol baut auf diese Saison hin die, laut eigenen Angaben, stärkste Zubringerbahn der Welt. 4500 Personen pro Stunde soll sie den Berg hoch befördern. Und oben sollen demnächst zwei Gletschergebiete zum grössten Gletscher-Skigebiet der Welt verbunden werden.

Mega-Skigebiete

Die Strategie Megaskigebiete scheint aufzugehen. Österreich verzeichnet seit zehn Jahren gleichbleibende Besuchereintritte. 51,9 Millionen Tagesbesuche waren es vergangene Saison. Urs Wagenseil, Tourismusexperte der Universität Luzern bestätigt gegenüber «10vor10»: «Gäste, die lange bleiben, wollen ein grosses Angebot. Die Skigebiete bieten Superlative an, viele Gäste suchen sich die Destinationen nach solchen Argumenten aus.»

Tatsächlich gewinnen die grossen Skigebiete Österreichs dank ihrer Grösse mehr Gäste aus dem Ausland. 66 Prozent der Wintersport-Gäste kommen dort aus dem Ausland. Im Gegensatz dazu fallen in der Schweiz nur 46 Prozent aller verkauften Skieintritte auf ausländische Gäste. Neben der Grösse schauen diese auch auf den Preis.

Problem starker Franken

Der starke Franken ist ebenfalls ein Grund, weshalb die ausländischen Gäste vermehrt in unsere Nachbarsländer ausweichen. Erhielten europäische Gäste im Winter 08/09 1,62 Franken für einen Euro, sind es heute nur noch 1,08 Franken. Von 29,3 Millionen verkauften Eintritten damals ging es abwärts auf 21,6 Millionen Eintritte. Viele Gäste aus den Euroländern können sich die Schweiz nicht mehr leisten.

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«Die Schweiz hat ein viel höheres Preisniveau, von der Entlöhnung bis zu den Lebensmittelpreisen. Weil die Kosten nicht ausgelagert werden können wie in anderen Industriesektoren, haben diese Preisunterschiede im alpinen Tourismus grössere Auswirkungen», meint Ueli Stückelberger, Direktor von Seilbahnen Schweiz.

Starker Franken, hohe Kosten – die Schweizer Skigebiete sind also gefordert, ausländische Gäste zurückzugewinnen und einheimische Kunden zu halten. «Preisdumping ist in der Schweiz keine langfristige Lösung», sagt Stückelberger. «Wichtige Mittel würden fehlen, um Anlagen zu betreiben und zu erneuern. Innovation ist gefragt und ein breiteres Spektrum an Angeboten für die Kunden.» Eine Herausforderung für viele Schweizer Skiorte.

Skipass zu Dumping-Preisen

Beispiel Saas Fee: In der Walliser Gemeinde gibt es dieses Jahr die Saisonkarte für 222 statt 1050 Franken. Zustande kam dieser Preisabschlag dank einer Online-Crowdfunding-Aktion, in der sich eine bestimmte Anzahl von Nutzern bis Ende Woche registrieren mussten.

Am Donnerstag wurde die 75‘000-Grenze geknackt und die Aktion eingelöst. Dem Skiort werden mindestens 17 Millionen Franken in die Kasse gespült – auf einen Schlag. In der letzten Saison beliefen sich die Gesamteinnahmen, ohne Sonderaktion, auf 15,1 Millionen.

Der Direktor der Bergbahnen Saas Fee sieht diese Aktion als kleine Revolution im Kampf um Kunden. «Der Gast bekommt gezielt das, was er will. Das ist eine neue Phase des digitalen Marktes, die uns hilft, dass die Gäste nicht nach Österreich abwandern.»

Fit für die Zukunft

Pionierarbeit leistet auch Laax. Vor vier Jahren hat der Skiort ein Internet-Buchungssystem mit variablen Preisen eingeführt. Laufend optimiert, gibt es ihn neu als Smartphone-Applikation – inklusive Bahnenstaumelder, Höhenmeterangabe oder Bergbeiz-Reservationssystem.

Arosa wiederum entwickelt sich bewusst und entsprechend der strategischen Ausrichtung zur Event-Destination. Ob Humorfestival, Classic Car Rennen oder ein geplanter Bärenwald, solche Ereignisse erhöhen die Auslastung und Logiernächte.

Auch St. Moritz macht sich fit für die Zukunft. Die Corvatsch AG investiert bis zur Ski-WM im Februar 27 Millionen in neue Sesselbahnen. Die 6er-Sesselbahn Curtinella ist 750 Meter länger als der alte Skilift und bietet die doppelte Kapazität.

«Skigebiete werden schliessen müssen»

In den Schweizer Skigebieten tut sich also was – nicht nur bei unseren östlichen Nachbarn. Das ist nicht nur notwendig, sondern vor allem für die Zukunft des Wintersports Tourismus matchentscheidend.

Ueli Stückelberger glaubt an den Schweizer Skisport. Im Interview mit «10vor10» sagt er jedoch: «Es wird Änderungen geben. Destinationen mit attraktiven Angeboten werden sich behaupten können. Andere, die schlechte Voraussetzungen haben oder sich nicht weiterentwickeln, werden es schwierig haben und womöglich schliessen.»

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