Grosser Andrang in der Luzerner Messehalle: Unzählige Senioren schlendern an den Ständen der ersten Schweizer Altersmesse vorbei. Manch ein Produkt löst Erstaunen aus. Und auch wenn der Bedarf aktuell noch nicht vorhanden ist, so wollen viele für den Notfall vorbereitet sein. «Ich habe mein Haus, ich habe meinen Garten – das gebe ich sicher nicht freiwillig her», sagt eine rüstige 78-Jährige.
Endlich Zeit zum Reisen
Eines der wichtigen Themen an der Altersmesse sind Hilfsmittel, die es den Senioren ermöglichen, möglichst lange selbständig zu Hause bleiben zu können. Am meisten Interesse wecken aber Angebote, welche das aktuelle Leben betreffen, etwa Reiseangebote. «Badeferien, Länder bereisen», sagt ein Mann, dem man seine 82 Jahre nicht ansieht. Drei bis vier Mal pro Jahr gehe er auf Reisen.
Auf Leute wie ihn ist die Altersmesse zugeschnitten. Die Aussteller zeigen denn auch Bilder von aktiven, fast jugendlich wirkenden Menschen auf ihren Werbebannern.
«Forever young» – trügerische Botschaft?
Gezieltes Marketing sei das, sagt der Luzerner Altersexperte Emil Mahnig. «Forever young ist ein Trend in der Werbung. Man gesteht den Leuten gar nicht zu, dass sie das Älterwerden bemerken.» Dazu trage die Werbung viel bei.
Aber «es ist manchmal auch ein Hindernis, wenn man die eigene Beschränkungen nicht mehr kennt», sagt Mahnig. Er fragt sich, ob der Stress und die Belastung für ältere Menschen wirklich ertragbar seien – etwa wenn ein riesiges Wohnmobil Lust auf eine Reise durch Amerika machen will.
Ich spare keinen Franken für meine Söhne.
Werber entdecken Senioren als kaufkräftige Konsumenten
Senioren geben laut dem Altersexperten im Schnitt 20'000 Franken pro Jahr für Freizeitaktivitäten und Einkäufe aus – Tendenz steigend. Die Werber würden jetzt merken, dass im Alter Geld ausgegeben werde. Das bedeute eine massive Erhöhung der Kaufkraft in dieser Altersklasse gegenüber den bis 50-Jährigen. Dort lag der Fokus vieler Marketingfirmen nämlich bisher.
Hinzu kommt, dass den Senioren das Geld offenbar lockerer in der Tasche steckt als früher. «Ich spare keinen Franken für meine Söhne», sagt eine 78-jährige Messebesucherin. Sie habe das Glück, dass ihre Nachkommen eine solide Ausbildung und gute Anstellungen hätten. Sie sei frei, alles zu verbrauchen, was sie habe.
Tatsachen und Zahlen zur Lebenserwartung
Man ist so alt, wie man sich fühlt, sagt man. Aber was «alt» eigentlich heisst, definiert nur das Bundesamt für Statistik (BFS). Es stellt fest, dass innerhalb von gut 30 Jahren die Lebenserwartung bei Männern um knapp 10, bei Frauen um 6 Jahre gestiegen ist. Einige Tatsachen und Skurriles zur Statistik:
- Die sehr gute medizinische Versorgung ist mit ein Grund für die ständig steigende Lebenserwartung. Sie ist aber auch verantwortlich für steigenden Gesundheitskosten. Das heisst: Mit hohen Krankenkassenprämien erhalten wir auch ein hohes Alter.
- Die geringere Lebenserwartung der Männer ist wahrscheinlich nicht biologisch bedingt. Dies hat sich bei Nonnen und Mönchen gezeigt, die unter nahezu gleichen Bedingungen leben. Dort leben die Frauen nur etwa ein Jahr länger als Männer. Vielmehr dürften der riskantere Lebensstil der Männer und die höhere Suizidgefährdung ein Grund dafür sein. Das heisst: Männer verunfallen mehr im Verkehr, konsumieren mehr Drogen, rauchen und trinken häufiger als Frauen.
- Der Unterschied der Lebenserwartung zwischen den Frauen und Männer hat sich im Verlauf der Jahre vergrössert, weil Frauen nicht mehr so oft bei der Geburt oder im Wochenbett sterben. Hinzu kommt, dass sie auch weniger kriegerischen Konflikten zum Opfer fallen. Das heisst: Frauen leben generell gesünder und friedlicher.
- Durch Fortschritte bei der Hygiene und in der Medizin – insbesondere bei der Bekämpfung von Seuchen und der Kindersterblichkeit – sowie bei der Nahrungsmittelversorgung nähert sich die Lebenserwartung allmählich dem biologischen Höchstalter. Das heisst: Einige Experten errechneten das biologisches Höchstalter – was aber sehr theoretisch klingt – bei 120 Jahren.
- Die Sterblichkeitsrate bedingt durch äussere Ursachen und Verletzungen ist seit 2002 rückläufig. Gründe hierfür sind neue Regeln bei der Verkehrs- und Arbeitssicherheit. Auch der Fortschritt trägt dazu bei. Das heisst: Die Arbeitsbedingungen und die Mobilität sind sicherer geworden.
- Die steigende Lebenserwartung ist auch die Folge eines gesünderen sozialen Umfelds. Glückshormone wirken sich positiv aus. Das heisst: Die Lebenserwartung steigt bei Menschen mit einem intakten Freundes- und Bekanntenkreis.
- Arme können sich meist eine bessere Gesundheitsförderung und -versorgung nicht leisten oder haben einen ungesünderen Lebenswandel. Das heisst: Reiche haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Arme.
- Dass die Lebenserwartung der heute 65-Jährigen statistisch gesehen höher ist als bei den Neugeborenen hat damit zu tun, dass die Kinder eine Reihe von Risiken noch vor sich haben. Das heisst: Menschen im Erwachsenenalter haben zum Beispiel bereits gelernt, sicher über die Strasse zu gehen.
- Der medizinische Fortschritt sorgt dafür, dass die Menschen immer älter werden. Dafür nehmen aber altersbedinge Krankheiten wie Alzheimer und Krebs zu. Trotz dieser Krankheiten können wir mit einer guten Lebensqualität rechnen, weil der medizinische Fortschritt Eingriffe bis ins hohe Alter erlaubt. Das heisst: Uns ereilen andere tödliche Leiden, dafür aber im fortgeschrittenen Alter
Definition Lebenserwartung
Die Lebenserwartung ist die zu erwartende Zeitspanne, die einem Lebewesen bis zu seinem Tod noch verbleibt. Sie kann anhand empirischer Daten einer Sterbetafel für jeden beliebigen Zeitpunkt ermittelt werden. Meist wird die Lebenserwartung bei Geburt angegeben. |