Beispiel 1: Natalie Rickli in Zürich
Sie war bereits vor ihrer Regierungszeit als harte Parteipolitikerin der SVP bekannt. Stets äusserte sich Natalie Rickli pointiert und deutlich, eckte manchmal an.
Viel Zeit blieb Natalie Rickli nicht, sich nach der Wahl Mitte 2019 in den Regierungsrat und in die Gesundheitsdirektion einzuarbeiten. Die Corona-Pandemie zwang Rickli dazu, rasch Führung zu übernehmen.
Beispiel 2: Pierre Alain Schnegg in Bern
Auch er polarisiert mit seiner Politik, auch er ist SVP-Regierungsrat und Vorsteher der Gesundheitsdirektion: Pierre Alain Schnegg. Sein Plan, die Sozialhilfe in Bern zu kürzen, löste heftigste Reaktionen aus. Gezielt wurden Demonstrationen gegen den SVP-Politiker organisiert. «Schnegg muss weg», hiess es auf Plakaten.
Die Kritik gegen ihn ist mittlerweile fast vollständig verstummt. Pierre Alain Schnegg gibt nicht nur im Kanton Bern, sondern auch auf nationaler Ebene den Takt an. So hat Schnegg bereits im Oktober Grossveranstaltungen im Kanton Bern verboten.
Die Unterschiede
Der Berner SVP-Mann Schnegg wurde von seiner eigenen Partei scharf kritisiert, was seine Corona-Massnahmen betrifft. Linke Politiker und Politikerinnen hingegen lobten ihn für einmal. Er mache seinen Job in der Krise grösstenteils gut, heisst es.
Man muss rasch und entschlossen handeln. Das kommt Schnegg entgegen.
«Es braucht Leadership-Fähigkeiten in der Krise», analysiert Adrian Vatter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Diese Fähigkeiten besitze Schnegg aus seiner Zeit als Unternehmer. «Dafür hat er in normalen Zeiten, eher Mühe – wenn nicht schnelle, sondern breit abgestützte Entscheide gefragt sind.»
Die Zürcher SVP-Frau Rickli hingegen fährt einen anderen Kurs. Sie wird nicht von ihrer Partei, dafür aber von ihren Kolleginnen und Kollegen im Regierungsrat kritisiert, beziehungsweise ausgeschlossen. Bereits zu Beginn der Pandemie gab es einen Pandemie-Ausschuss – ohne die Gesundheitsdirektorin. Auch aktuell hat Rickli nicht viel zu sagen. Sie fühlt sich übergangen und kommuniziert das auch gegenüber Medien.
Rickli wird von ihrem Regierungskollegium nicht getragen.
«Rickli ist zwar eine erfahrene Politikerin, aber fast ohne Erfahrung im Gesundheitswesen», so Adrian Vatter. «Ihr sind handwerkliche Fehler unterlaufen, beispielsweise beim Contact-Tracing.» Grundsätzlich verfüge sie zwar über Krisenmanagements-Fähigkeiten. Der Unterschied zu Schnegg liege darin, dass sie von der restlichen Regierung nicht mitgetragen werde.
Die Bilanz
Bern zeigt sich laut Vatter geeint. Schnegg betont, man führe eine sehr engagierte Debatte im Regierungsrat. Er trage zwar die Meinung nach aussen, es sei aber eine Konsensmeinung, die vom gesamten Regierungsrat gefällt werde. In Krisensituationen müssten alle an einem Strick ziehen. «Schnegg hat eine Führungsrolle im Regierungsrat und er wird von seinen Kolleginnen und Kollegen getragen», so Vatter.
In Zürich bleiben laut Vatter nach einem Jahr Corona Einzelkämpferinnen und -kämpfer in Erinnerung. Der Regierungsrat trete nicht als Einheit gegen aussen auf. «Es gibt verschiedene Beispiele, die zeigen, dass die Zürcher Regierung nicht als Team funktioniert», so Vatter.