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Soll Kneubühl verwahrt werden? Zwei Experten – zwei Ansichten zum «Bieler Rentner»

Der Fall Kneubühl ist erneut vor Gericht. Am Prozess in Biel haben zwei Gutachter unterschiedliche Schlüsse gezogen.

Fast zehn Jahre ist es her, dass der Bieler Rentner Peter Hans Kneubühl vor der Zwangsversteigerung seines Hauses auf Polizisten schoss. Nun beschäftigt sich das Regionalgericht in Biel erneut mit ihm. Es muss entscheiden, ob der heute 76-Jährige verwahrt wird.

Am Donnerstagmorgen sagten zwei Gutachter aus. Ihre Einschätzungen gehen weit auseinander.

Der erste Gutachter

Werner Strik ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD). Er hatte Peter Hans Kneubühl behandelt, als dieser 2017 im Verlauf eines Hungerstreiks ins Inselspital und in die UPD eingeliefert wurde. Strik sagte vor dem Gericht in Biel, Kneubühls Wahnvorstellungen würden sich vor allem auf den grossen Polizeieinsatz von 2010 beziehen.

Professor Strik sprach von einer verständnisvollen, liebenswürdigen Person.
Autor: Christian Liechti SRF-Reporter am Prozess in Biel

«Werner Strik beschreibt den Mann als Eigenbrötler, er sprach vor dem Gericht aber auch von einer verständnisvollen, liebenswürdigen Person», berichtet SRF-Reporter Christian Liechti vom Prozess in Biel. Strik glaube daran, dass für den Bieler Rentner ein Leben ausserhalb einer Strafanstalt möglich sei.

Der zweite Gutachter

Anders beurteilt der zweite Gutachter die Lage: Elmar Habermeyer ist Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. «Er kommt zum Schluss, dass der Bieler Rentner unter Wahnvorstellungen leidet, dass man ihn nicht entlassen und nicht mit ihm zusammenarbeiten kann», berichtet SRF-Reporter Christian Liechti aus dem Gerichtssaal. Peter Hans Kneubühl habe immer noch das Gefühl, der Staat wolle ihn kaputt machen, sagt Gutachter Habermeyer.

Staatsanwaltschaft fordert Verwahrung

Kneubühl verweigert laut den Berner Behörden jegliche Therapie und medikamentöse Behandlungen. Weil es aussichtslos sei, dass er die stationäre Massnahme antrete, haben die Bewährungs- und Vollzugsdienste des Kantons Bern beim Gericht den Antrag gestellt, die Massnahme durch eine Verwahrung abzulösen.

Vor Gericht argumentierte die Staatsanwaltschaft mit der Rückfallgefahr, die zu gross sei, wenn man den Betroffenen aus der Haft entlassen würde. Die Verwahrung habe nichts mit der Schuldfrage zu tun. Es gehe darum, die Bevölkerung zu schützen.

Verteidiger fordert Freilassung

Der Betroffene selber war vor Gericht nicht anwesend. Sein Verteidiger forderte, Herrn Kneubühl aus der Haft zu entlassen. Es gebe zahlreiche ähnliche Fälle, in denen Menschen sich durch Behörden und Polizei bedroht fühlten.

Der Anwalt hinterfragt die drei psychiatrischen Gutachten, sie zeigten einen Streit unter Experten. Und das Gutachten von Professor Habermayer sei eine reine Trockenübung: Dieser habe den Rentner nie persönlich treffen können, weil der sich geweigert habe.

Der Fall Kneubühl

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Polizist vor dem Haus
Legende: Keystone (Archiv)

Peter Hans Kneubühl hielt die Stadt Biel im September 2010 tagelang in Atem. Seine Liegenschaft im Bieler Lindenquartier sollte öffentlich versteigert werden. Ursache für die Räumung des Hauses war ein langer Erbschaftsstreit mit seiner Schwester.

Am Tag der Hausbesichtigung, dem 8. September, verschanzte sich Kneubühl im Haus. Kontaktversuche durch Behörden und die Polizei scheiterten.

An den folgenden Tagen gab der Rentner mehrere Schüsse ab. Einer verletzte einen Polizisten schwer am Kopf. Danach gelang Kneubühl die Flucht. Mehrere Tage lang fahndete die Polizei erfolglos nach ihm. Erst am 17. September wurde er gefasst.

Entscheide bis vor Bundesgericht

Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland verurteilte Kneubühl 2013 aufgrund der Schüsse wegen versuchter vorsätzlicher Tötung und Gefährdung des Lebens. Das Gericht kam auch zum Schluss, der Rentner leide an einer schweren wahnhaften Störung.

Kneubühl sei nicht schuldfähig und brauche eine stationäre psychiatrische Massnahme. Das bernische Obergericht und das Bundesgericht bestätigten danach die stationäre Massnahme.

Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland muss über den behördlichen Antrag auf Verwahrung entscheiden. Am Freitagnachmittag soll das Urteil bekanntgegeben werden.

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