Das Wichtigste in Kürze
- Das Aargauer Obergericht hat auf Geheiss des Bundesgerichts sein Urteil gegen einen Einsatzleiter der Sondereinheit Argus angepasst.
- Der Polizeioffizier ist demnach unter anderem schuldig wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung.
- Der ausserordentliche Staatsanwaltschaft hatte das erste Urteil des Obergerichts an das Bundesgericht weitergezogen. Das Obergericht hatte den Polizisten vom Vorwurf der vorsätzlichen oder fahrlässigen schweren Körperverletzung freigesprochen.
- Es geht um einen Fall im Jahr 2009, als der Argus-Einsatzleiter in Wohlen die Wohnung eines betrunkenen, randalierenden Mannes stürmen liess. Der Mann wurde dabei von einer Kugel aus der Waffe eines Polizisten verletzt.
- Laut dem Bundesgericht ist es nicht nachvollziehbar, warum der Einsatzleiter die Wohnung bereits nach 90 Minuten durch schwer bewaffnete Polizisten stürmen liess. Man hätte länger warten oder verhandeln müssen.
Das Aargauer Obergericht hat in seinem Urteil zudem die bedingte Geldstrafe erhöht. Diese beträgt für den Einsatzleiter nun 270 Tagessätze zu 180 Franken anstatt wie bisher 180 Tagessätze. Dies geht aus dem Urteil hervor, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Das Urteil lautet auf fahrlässige schwere Körperverletzung sowie Amtsmissbrauch, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung und ist noch nicht rechtskräftig.
Im November 2017 hatte dasselbe Gericht den Mann der vorsätzlichen schweren oder fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Auch das Bezirksgericht Bremgarten war zuvor zum selben Urteil gekommen.
Der ausserordentliche Staatsanwalt zog das Urteil des Obergerichts allerdings ans Bundesgericht weiter. Dieses hiess die Beschwerde im vergangenen Januar teilweise gut. Es kam zum Schluss, der Polizeioffizier müsse härter bestraft werden.
Polizisten schossen auf Randalierer
Der Offizier hatte als Einsatzleiter am Abend des 25. Mai 2009 eine Wohnung in Wohlen durch die Sondereinheit «Argus» stürmen lassen. In der Wohnung befand sich ein betrunkener, randalierender Mann. Seine Frau war mit dem Kind zu den Nachbarn geflüchtet und hatte von dort aus die Polizei alarmiert.
Der Randalierer drohte damit, sich mit einem Messer umzubringen oder vom Balkon zu springen, sollte die Polizei die Wohnung betreten. Trotzdem liess der Polizeioffizier die Wohnung nach 90 Minuten stürmen.
Ein Polizist der Sondereinheit schoss zweimal auf den betrunkenen Mann, der mit einem Messer drohte. Die Kugeln trafen ihn im Unterleib – und er musste ins Spital.
Warum war Stürmung die einzige Variante?
Das Bundesgericht kam zum Schluss, es sei nicht nachvollziehbar, warum der Einsatzleiter die Stürmung der Wohnung ab einem gewissen Zeitpunkt als einzig mögliche Massnahme angesehen hatte. Das Obergericht habe selbst geschrieben, dass das Eingreifen der Sondereinheit und die daraus resultierende Verletzung des Mannes vermeidbar gewesen wären. Dies, wenn man länger gewartet hätte oder ein Verhandler aufgeboten worden wäre.
In seinem neuen Urteil schreibt das Aargauer Obergericht nun, es wirke sich zu Lasten des Offiziers aus, dass er diese Alternativen zu rasch nicht mehr beachtet habe.
Stark unter Druck und überfordert
Das Gericht schreibt aber auch, der Einsatzleiter sei stark unter Druck gestanden – aufgrund der hektischen Situation mit dem Randalierer und Gaffern. Er sei mit dieser Situation überfordert gewesen. Das Obergericht schätzte das Verschulden als leicht bis mittel ein in Bezug auf die fahrlässigen schwere Körperverletzung.
Der Polizeieinsatz hatte nach einer langen Untersuchungszeit zu zwei weiteren Anklagen geführt. Der Polizist, der die beiden Schüsse abgab, wurde von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung und der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen. Einen Gruppenleiter der Sondereinheit sprach bereits das Bezirksgericht frei.