Zur schicken Zürcher Bahnhofstrasse sind es nur wenige Schritte. Aber die Einkaufsmeile ist trotzdem weit weg in diesem Moment. Hans Ryner, 64, steht unter den Urania-Bögen bei der Polizeiwache: «Das sind Schlafplätze für Obdachlose. Hier ist es nachts relativ ruhig und man wird nicht nass.» Auch Hans Ryner hat hier schon einige Nächte verbracht.
Während er von seinem Leben auf der Gasse erzählt, hört ihm eine Gruppe Jugendlicher interessiert zu – eine Berner Konfirmandenklasse spaziert mit ihm auf diesem sozialen Stadtrundgang. Und die Führung macht Eindruck:
Zürich ist eine reiche Stadt. Und dass hier Leute so richtig auf der Strasse leben, war mir nicht bewusst.
Hans Ryner führt die Gruppe weiter ins Niederdorf, in die «Herberge zur Heimet». Seit 150 Jahren ist sie ein Wohnheim der evangelischen Gesellschaft Zürich, ein Ort für Männer, die sonst nirgends hin können – Ryner war einer von ihnen.
Wenn ich jeweils kein Geld mehr hatte, wenn ich «knopfstier» war, kam ich hierhin. Hier kriegte ich immer etwas.
Hans Ryner ist Alkoholiker. Seinen letzten von vielen Entzügen hatte er 2009. Seither ist er trocken – verkauft das Strassenmagazin «Surprise» und erzählt seine Lebensgeschichte auf den Stadtrundgängen.
Eine Geschichte, die berührt. Auch die Berner Konfirmanden, die nun mit einem etwas anderen Blick durch die reiche Stadt Zürich gehen.