Das gab es noch nie: Wochenlang keine Trainings, Wettkämpfe, die ausfallen, Meisterschaften, die abgebrochen werden. Sportpsychologe Alexander Scherz (47) und seine Klienten sahen sich wegen des Corona-Virus vor ganz neue Probleme gestellt: «Die Corona-Pandemie hat bei vielen Sportler grosse Verunsicherung und Ohnmachtsgefühle ausgelöst.»
So sei es bei einem Triathlet wegen der fehlenden Trainingsmöglichkeiten zuhause plötzlich sehr eng geworden. Oder einem jungen Mannschaftssportler, der nicht mehr täglich ins Training konnte und seine Freundin im Ausland nicht mehr besuchen durfte, fehlte plötzlich die Tagesstruktur.
Ein grösseres Problem für Jüngere
Allerdings wirkte sich die Corona-Krise nicht bei allen Sportlerinnen und Sportlern gleich aus. «Ältere Athleten, die schon einmal eine Krise durchgemacht haben, zum Beispiel eine Verletzung, haben besser mit der Situation umgehen können als etwa ganz junge Sportler», erklärt Alexander Scherz. Und auch je nach Sportart - ob Einzel- oder Teamsport - habe es grosse Unterschiede gegeben, gerade weil es Einzelsportler eher gewohnt seien, sich selber zu organisieren, während Teamsportler eben das Team brauchten und auch eher gewohnt seien, von Trainern Anweisungen zu erhalten.
Diese neuartigen Probleme erforderten einerseits viele Gespräche, erklärt Alexander Scherz. Es sei aber auch darum gegangen, Lücken zu füllen, beziehungsweise eine neue Tagesstruktur aufzubauen, wenn beispielsweise ganze Trainings ausfielen. Dabei sei es sehr stark darum gegangen, die Perspektive zu wechseln: «Wie kann man aus dieser Ohnmacht wieder eine Art Macht gewinnen, das heisst, wieder Kontrolle über die Situation erlangen.» Zum Beispiel, indem man sich frage: Was ist noch wichtig ausser dem Sport? Oder wie sehen meine weiteren Ziele für dieses Jahr aus?
Sich auf die nahen Ziele konzentrieren
Immerhin, gibt Alexander Scherz zu bedenken, das Gute sei doch, dass es allen gleich gehe, alle würden sich mit dem Corona-Virus konfrontiert sehen, nicht einer allein. Man müsse also immer auch das Positive sehen. Da die Situation weiterhin relativ unsicher bleibt, gelte es, sich jetzt vor allem auf kleinere, nähere Ziele zu konzentrieren und Termine, die weiter weg sind, auszublenden. «Was in einem Jahr ist, kann niemand wissen. Damit muss man leben. Das ist die neue Normalität», so Sportpsychologe Alexander Scherz.