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Sportgeschichte Sport: Viel Leidenschaft, aber wenig Forschung

Die Sport-Geschichte ist wenig erforscht. Der Historiker Michael Jucker von der Universität Luzern will das ändern.

Michael Jucker

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Seit 2007 forscht und lehrt er an der Universität Luzern als Privatdozent, Oberassistent und Lehrbeauftragter für Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Er nahm an den Universitäten Zürich, Münster, Utrecht, Bern und Basel Lehraufträge und Professurvertretungen wahr.

Passionen für den Sport sind kein modernes Phänomen. Schon im Mittelalter wurden Turniere für Schützen oder Schwinger veranstaltet, und schon damals gingen die Emotionen auch beim Publikum hoch.

Die Geschichte des Sports in der Schweiz ist aber schlecht erforscht. An einer Tagung an der Universität Luzern wird am Dienstag das Thema diskutiert.

SRF News: Michael Jucker, was für Sportarten waren in der Zentralschweiz im Mittelalter beliebt?

Michael Jucker: Sportarten wie das Steinstossen, Schwingen und Hornussen. Das Schützenwesen war in der Stadt Luzern sehr wichtig und das Schwingen im Entlebuch. Gerade nach der Reformation war das Schwingen stärker verbreitet, die katholischen Orte in der Innerschweiz waren damals liberaler und toleranter. Obwohl die katholischen Orte auch Probleme hatten.

Welche Probleme?

Es kam immer wieder zu Ausschreitungen. Vor allem bei körperbetonten Sportarten wie Schwingen oder Steinstossen kam es zu gewalttätigen Ausbrüchen beim Publikum. Das Schwingfest war oft gleichzeitig wie die Chilbi, Alkohol wurde konsumiert, es waren junge Leute, da hat es ab und zu geknallt.

Frauen haben sich vor allem im Schützenwesen beteiligt und auch sehr erfolgreich. Aber das wurde in der Sportgeschichte immer vernachlässigt.
Autor: Michael Jucker Forschungsmitarbeiter Universität Luzern

Probleme, die heute noch bekannt sind. Hat die Obrigkeit damals auch ähnlich durchgegriffen? Gab es zum Beispiel so etwas wie ein Hooligankonkordat?

Nein, aber im reformierten Zürich wurden Leute, die unerlaubt an den Schwingfesten teilgenommen haben, an den Pranger gestellt, in der Kirche denunziert, oder es wurden Spione zur Überwachung losgeschickt, aber keine Konkordate.

Sie haben jetzt von Schwingern und Schützen gesprochen, aber wie haben sich die Frauen damals sportlich betätigt?

Frauen haben sich vor allem im Schützenwesen beteiligt und auch sehr erfolgreich. Aber das wurde in der Sportgeschichte immer vernachlässigt.

Waren das Aussenseiterinnen, wurden sie in die Turniere integriert oder gab es Frauenturniere?

Spezifische Frauenturniere sind nicht bekannt, es waren aber auch nicht viele Schützinnen. Aber sie waren eigenständig und konnten an Wettbewerben Preise erlangen.

Über Sport redet man heute ja sehr viel, aber wie gut weiss man Bescheid über die Sportgeschichte?

In der Schweiz ist die Sportgeschichte sehr untererforscht, es gibt keine forschenden Institute. Unter der Professorenschaft wird dieses Themengebiet eher als Hobby abgehandelt und nicht als Hochkultur. Das ist verwunderlich: Seit Olympia bei den alten Griechen gehört der Sport zu unserer Kulturgeschichte.

Sie sind daran, die Sportgeschichte besser zu etablieren. Wie geht das?

Mit einer besseren Verlinkung und Vernetzung der Medien, Archive, Museen aber auch der einzelnen Forscher. Ein Verein soll diese Interessierten bündeln.

Und wem nützt das?

Wir könnten zum Beispiel für die Medien als Korrektiv wirken, wenn sportgeschichtlich nicht akkurate Informationen verbreitet werden. Oder wenn man in Privatarchiven Dinge findet, die einen sportgeschichtlichen Bezug haben. Ziel ist es, das kulturhistorische Erbe des Schweizer Sports zu retten: Es gibt Unmengen von Fotografien, die man nicht zuordnen kann. Das soll in Zukunft genauer dokumentiert und unterhalten werden.

Das Gespräch führte Miriam Eisner

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