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Fragen und Antworten «Warum wird so viel Geld in den Autoverkehr investiert?»

Expertinnen und Experten haben Ihre Fragen zu Mobilität und Verkehr beantwortet.

Ob zu Fuss, auf Rädern oder Schienen: Schweizerinnen und Schweizer sind täglich rund 90 Minuten unterwegs. Diese Mobilität ist jedoch in stetigem Wandel: Was bedeutet es, wenn das Strassennetz immer dichter wird? Wie werden der zunehmende Güterverkehr und selbstfahrende Autos die Schweiz verändern? Und wie können nachhaltige Verkehrskonzepte aussehen?

Expertinnen und Experten haben Ihre Fragen zur Zukunft des Verkehrs und der Mobilität beantwortet.

Gäste im News-Chat

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Nicole Mathys
Sektionschefin Bundesamt für Raumentwicklung
ARE

Martin Bolliger
Senior Experte Elektromobilität und Energie
TCS

Luca Castiglioni
Leiter Forschungsbereich Mobilität
BFE

Christoph Merkli
Leiter Infrastruktur & Politik
Pro Velo Schweiz

Erwin Wieland
Chef Abteilung Netze und stellvertretender Direktor
Bundesamt für Strassen Astra

Chat-Protokoll:

Liesse sich eine autofreie Schweiz (weg vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Personenverkehr) umsetzen? Welche infrastrukturiellen Massnahmen müssten dafür getroffen werden?

Erwin Wieland: Wir steuern auf eine 10 Millionen Schweiz zu. Das wird zu mehr Mobilität führen und die können die verschiedenen Verkehrsmittel nur gemeinsam bewältigen. Heute werden rund 75% der Personenkilometer in der Schweiz mit dem Auto zurückgelegt. Wollte man diese alle auf den öffentlichen Verkehr verlagern, müsste dieser seine Kapazitäten vervielfachen.

Nicole A. Mathys: Die Verkehrsperspektiven 2050 des Bundes dienen als Grundlage für die Verkehrs- und Raumplanung. Sie bilden vier «Wenn-dann-Szenarien» ab, die aufzeigen, wie sich Personen- und Güterverkehr entwickeln könnten. Wichtige Treiber sind zum einen die technologische Entwicklung, etwa automatisierte Fahrzeuge, Angebote, um Verkehrsmittel zu kombinieren oder elektrische Antriebe und zum anderen die Bereitschaft in Politik und Gesellschaft, mehr für eine nachhaltige Mobilität zu tun. Je nach Szenario entwickelt sich der Verkehr unterschiedlich. Im Hauptszenario «Basis» der Verkehrsperspektiven 2050 nimmt die Verkehrsleistung (Personenkilometer) des Personenverkehrs bis 2050 gegenüber dem Referenzjahr 2017 lediglich um 11 Prozent zu, während die Bevölkerung um 21 Prozent wächst. Grund für diese Entwicklung sind hauptsächlich verschiedene gesellschaftliche und wirtschaftliche Trends, die sich auf die Mobilität auswirken. Im genannten Szenario erhöht der öffentliche Verkehr seinen Anteil an den Verkehrsleistungen von 21 auf 24 Prozent, während das Velo seinen Anteil verdoppelt. Der Anteil, der mit dem Auto zurückgelegt wird, bleibt nach wie vor bedeutend, reduziert sich aber von 73 auf 68 Prozent.

Warum ist es so schwierig den «Privaten Autoverkehr» aus unseren mit dem ÖV top erschlossenen Städten zu limitieren oder sogar zu verbannen?

Erwin Wieland: In dieser Hinsicht haben die Schweizer Städte schon sehr viel erreicht. In den grossen Schweizer Städten werden heute rund 25% Verkehrsleistungen (Personenkilometer) mit dem Auto zurückgelegt. Das ist weniger als beispielsweise in den Velostädten Amsterdam oder Oslo und es ist auch weniger als in Stockholm, wo die Autofahrenden hohe Strassenbenützungsgebühren zahlen.

Warum wird immer noch so viel Geld in den Autoverkehr investiert (bsp. Autobahn-Abstimmung im November), obwohl schon lange bekannt ist, dass dies die ineffizienteste (flächenmässig und energietechnisch), für die Gesellschaft teuerste und für die Bevölkerung die gefährlichste Form der Mobilität ist? Warum ignorieren die Politik und der Bund (das Astra) wissenschaftliche Erkenntnisse zu induziertem Verkehr, den enormen Kosten und dem enormen Gesundheitsrisiko durch den Autoverkehr, die schon seit Jahrzehnten bekannt sind? Warum übernimmt niemand dafür Verantwortung?

Erwin Wieland: Der Strassenverkehr trägt heute 86% seiner Kosten selber (der öffentliche Verkehr 44%). Die unbedeckten Unfall-, Umwelt- und Gesundheitskosten machen 7,4 Rappen pro Personenkilometer aus. Zudem bauen und planen wir die Strassen nicht für den Verkehr von heute sondern von morgen. Und der wird sehr viel verträglicher und sicherer sein.

Welche Hürden stehen dem Umstieg auf Elektromobilität (im Personenverkehr) im Wege, welche Lösungen bräuchte es, und welches maximale Potenzial hat Elektromobilität in der Schweiz? Kann dieses Potenzial auf ökologisch und sozial nachhaltigem Wege erreicht werden? Ist eine Zukunft ohne privaten Auto Besitz und grossflächig individuell genutzem Automobilverkehr utopisch? Welche anderen innovativen Verkehrskonzepte für den Personenverkehr wären für die Schweiz realistisch?

Luca Castiglioni: Ein Hauptproblem für die weitere Verbreitung der Elektromobilität ist zur Zeit die Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur in Mehrparteiengebäuden und für Autos ohne festen Abstellplatz. Dazu kommt natürlich auf Seite Markt das nach wie vor ungleiche Angebot von Elektrofahrzeugen und Verbrennern. Aber gerade hier tut sich einiges, sowohl was das Angebot anbelangt, wie auch die Preise.

Die Schweiz hat sich mit dem «Klima-Gesetz» das klare Ziel gesetzt, im Verkehrssektor bis spätestens 2050 netto-null zu erreichen. Der zurzeit effizienteste und nachhaltigste Weg dahin ist die Elektromobilität. Aufgrund eher geringer Distanzen, eines sehr gut ausgebauten Stromnetzes und einer klimafreundlichen Stromproduktion ist die Schweiz geradezu prädestiniert für Elektromobilität. Das Potenzial ist gross und es gibt keine grundsätzlichen Hürden, warum es nicht ausgereizt werden könnte.

Wir erleben gerade eine der grössten Transformationen der Mobilität seit Jahrzehnten. Wie sich diese in ferner Zukunft gestalten wird, ist schwer abzuschätzen. Neue Angebote wie «Mobility as a Service» sowie autonomes Fahren, werden Besitz und Nutzung von Autos in mittlerer Zukunft aber vermutlich tiefgreifend verändern.

Wann wird endlich Elektromobilität gefördert, um die CO2 Ziele zu erreichen?

Martin Bolliger: Bereits heute gibt es verschiedene Förderinstrumente für die Elektromobilität auf kommunaler und kantonaler Ebene. Diese finden Sie auf der Website Energiefranken oder auf swiss-emobility.ch. Um die Gesamtkosten (und die Umweltbilanz) von Elektroautos mit jenen von konventionellen Autos zu vergleichen, bietet der TCS auf www.tcs.ch/autosuche eine entsprechende Funktion.

Ich habe 3 Jahre in den Niederlanden gewohnt und dort studiert und war täglich mit dem Velo unterwegs. Zurück auf den Schweizer Strassen zu sein fühl sich etwa so an, in einem Verkehrsjungel gelandet zu sein. Können Sie bitte die wichtigsten Qualitäts-Eckpunkte für die Velowege entsprechend dem neuen Velogesetzt erläutern damit ich ein konkreteres Bild davon habe inwieweit sich die Schweiz anstrengt sich dem Vorreiter bezüglich Velosicherheit anzunähern?

Christoph Merkli: Die Niederlande ist eines der Länder, an denen sich die Schweiz velomässig messen kann! Das Veloweggesetz sagt zur Qualität von Veloweg(netz)en unter anderem:

  • zusammenhängend
  • durchgehend
  • sicher
  • getrennt vom motorisierten Verkehr und Fussverkehr
  • homogener Ausbaustandard
  • attraktiv

Ist eine autofreie Stadt realisierbar oder utopisch?

Christoph Merkli: Wo ein (politischer) Wille ist, ist auch ein Weg. Die belgische Stadt Gent ist da beispielsweise sehr weit gegangen und lässt Autoverkehr nur noch auf Ringstrassen und Zonengrenzen zu. Die Ergebnisse sind positiv, zum Beispiel in Bezug auf das Unfallgeschehen. Doch selbst in Gent gibt es nach wie vor Widerstand.

Ich wohne mehr als 2km vom nächsten Bahnhof mit Halbstundentakt entfernt. Der Bus ins Dorf fährt nur stündlich eine andere Route und nur bis 21 Uhr. Gibt es schon oder in naher Zukunft selbstfahrende Autos, die für solche Shuttlefahrten auf dem Land vom Bahnhof in die Quartiere eines Dorfes eingesetzt werden können? (Einfache Verkehrssituationen) Wie sieht dies bezüglich Kosten aus im Vergleich zu einem Ausbau der Busverbindungen (sehr tiefe Frequenzen bez. Fahrgästen)?

Nicole A. Mathys: Ich kann eine Teilantwort bieten – umfassender & auf einer abstrakteren Ebene; grundsätzliche Einschätzung zu den Auswirkungen der Digitalisierung in der Mobilität.

Mit einer Studie haben wir die wirtschaftlichen Folgen der Digitalisierung in der Mobilität untersucht. Die Autorinnen und Autoren der Studie «Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Digitalisierung in der Mobilität» haben sich in das Jahr 2060 versetzt und drei Szenarien entworfen, in denen sich diese Entwicklungen durchgesetzt hätten. Anschliessend nahmen sie eine Einschätzung der Auswirkungen im Vergleich zu einem Referenzszenario vor. Die Vorzüge der Automatisierung und des Sharings für Nutzerinnen und Nutzer zeigen sich in verschiedenster Form. Durch die geteilte Beschaffung und Nutzung von Fahrzeugen sinken deren Kosten, was allerdings nur einen kleinen Teil des Gesamtnutzens darstellt. Weitere grosse Vorteile ergeben sich daraus, dass die Fahrzeit dank Automatisierung für andere Tätigkeiten genutzt werden könnte und es zu weniger Unfällen käme.

Darüber hinaus könnten eine höhere Auslastung der Fahrzeuge und deren Automatisierung den Verkehr verflüssigen und so den Zeitverlust in Staus erheblich reduzieren. Selbst wenn man die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt berücksichtigt, die mit der verstärkten Nutzung des Autos einhergehen, wird der Nettonutzen im Szenario, in dem sich Automatisierung und Sharing im Gleichschritt entwickeln, auf 25 Milliarden Franken pro Jahr geschätzt.

Weniger positiv dürften die Effekte der Automatisierung jedoch auf die Schweizer Wirtschaft sein. Zum einen könnten durch das automatisierte Fahren Arbeitsplätze in der Schweiz wegfallen. Zum andern werden Autos beziehungsweise manche ihrer Bauteile heute grossmehrheitlich importiert. Der Anstieg der Kosten und Nutzung von Autos hat zwangsläufig zur Folge, dass der Konsum anderer Güter sinkt, was wiederum die gesamte Wertschöpfung in der Schweiz verringert. Ein Szenario, in dem sich die Automatisierung ohne Sharing durchsetzen würde, zeitigte einen Verlust für die Schweizer Wirtschaft von geschätzten rund 8,6 Milliarden Franken pro Jahr. Dagegen würde der Gesamteffekt auf die Wirtschaft im Szenario, in dem sich allein das Sharing etablieren würde, einem jährlichen Nutzen von 3,8 Milliarden Franken entsprechen. Aufgrund der tieferen Anschaffungskosten für gemeinsam genutzte Fahrzeuge würde mehr Geld für wertsteigernde Ausgaben in der Schweiz zur Verfügung stehen.

Meine Einschätzung: bis selbstfahrenden Fahrzeugen der Durchbruch gelingt wird es noch einige Jahre dauern.

Mich würde stark interessieren wie Schnellfahrstrecken für Velo/Ebike koordiniert werden. Meines erachtens gibt es da ein grosser regionaler Flickenteppich, der nicht zielführend ist. Ich fahre ca 3mal in der Woche Trimbach-Aarau es ist am Aarekanal eine tolle Veloroute. Da aber der Weg nur teilweise geteert ist muss ich bei schlechtem Wetter auf die normale Strasse ausweichen. Oft sind auch die Routen sehr velounfreundlich gestaltet( Strassenkreuzungen, Fahrstreifenwechsel, Ampelchaos) Beispiel Zürich wo bei Mischverkehr im Zentrum sich jeder Verkehrsteilnehmer irgendwie ärgert. Ich war in Frankreich und wurde überascht von einem Velofahrstreifen der gekoppelt mit Trottior realisiert wurde, was die Fahrsicherheit massiv erhöht. So ist auch die Fahrbahnbreite identisch. Eine Möglichkeit der Verbesserung sehe ich va. bei Wegen entlang der Bahnlinie.

Christoph Merkli: Die Schweiz ist ein föderalistisches Land, auch was die Umsetzung des Veloweggesetzes und damit den Bau von Veloschnellverbindungen anbelangt. Es besteht immerhin eine Verpflichtung, dass die Kantone sich koordinieren. Ich empfehle Ihnen, Ihre Beobachtungen den zuständigen Behörden und via www.bikeable.ch zu melden.

Wieso muss der Veloverkehr nichts für all die Bauarbeiten die zu Gunsten des Veloverkehrs getätigt werden bezahlen? Vor 50/60 Jahren gab's die Veloplakette für 5 Franken; mein Vorschlag diese für Fr. 50.00 wieder einführen. Wieso werden die Velofahrer nach Unfällen mit Camions nicht stärker zur Kasse gebeten; denn meistens seien sie im toten Winkel gewesen. Daran ist der Velofahrer selbst schuld.

Christoph Merkli: Die Velonummer, die es früher gab, war eine Haftpflichtversicherung, keine Verkehrsabgabe. Sie wurde Ende 2011 abgeschafft, so dass nun jede:r Velofahrer:in selber für eine Versicherung besorgt sein muss. Inwiefern Velofahrende bei selbst- oder mitverschuldeten Unfällen zahlen müssen, entscheiden Staatsanwaltschaft und Gerichte. Um diese tragischen Totwinkel-Unfälle zu vermeiden, hat Österreich eine Bestimmung eingeführt, dass Lastwagen nur mehr im Schritttempo rechts abbiegen dürfen.

Guten Tag, mein Vater (Wohnort Zollikofen) ist in einem Rollstuhl unterwegs und möchte selbständig den öffentlichen Verkehr nutzen. Dies ist leider nicht immer möglich oder nur sehr unflexibel. Wann wird das Behindertengleichstellungsgesetz vollständig erreicht werden? Welche weiteren Massnahmen oder Konzepte geplant für einen inklusiven öffentlichen Verkehr? Besten Dank im Voraus für Ihre Rückmeldungen.

Nicole A. Mathys: Sie finden weitergehende Informationen auf der Webseite des Bundesamtes für Verkehr BAV unter dem Titel «Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr»

Wo sollen sich in Zukunft die Fussgänger/Fussgängerinnen sicher bewegen können, da ja die Zweiradfahrenden trotz der unnützen Tafel „Rücksicht“ sämtliche Verkehrswege in Beschlag nehmen. Vor allem wenn man mit Enkelkindern unterwegs ist, gleicht ein Spaziergang einem Spiessrutenlaufen. Ich weiss, es gibt leider keine Lösung sondern es wird noch viel schlimmer für die Fussgänger/Fussgängerinnen werden.

Christoph Merkli: Es tut mir leid, wenn Sie mit rücksichtlosen Velofahrenden konfrontiert werden. Das Veloweggesetz schreibt vor, dass Velowege wenn immer möglich getrennt vom Fussverkehr geführt werden sollen. Schlechte Situationen auf dem Gehweg- oder Velowegnetz können Sie auch über die Plattformen www.walkable.ch beziehungsweise www.bikeable.ch melden.

Wann bekommt der Mieter das Recht, eine Ladestation für sein Elektro Auto an seinem Stellplatz oder Garagenplatz zu installieren.

Luca Castiglioni: Ein generelles Recht auf Laden oder eine stärkere Förderung der Ladeinfrastruktur im Rahmen des CO2-Gesetzes wurde vom Parlament bisher abgelehnt. In der vergangenen Sommersession wurde im Nationalrat nun aber eine neue Motion mit diesem Anliegen eingereicht und angenommen. Falls der Ständerat der Motion ebenso zustimmt, muss der Bund aktiv werden. In einzelnen Kantonen ist im Baurecht zumindest vorgegeben, dass bei Neubauten Leerrohre und Vorinstallationen für den späteren Bau von Ladestationen vorgesehen werden.

Inwiefern wird bei der Verkehrs- und Mobilitätsplanung (verstärkt) auf die Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen, Frauen, Menschen mit Behinderung und Senioren (besondere) Rücksicht genommen?

Nicole A. Mathys: Dem UVEK ist bewusst, dass die Mobilitätsbedürfnisse (beispielsweise Platz, Sicherheit, Zweck und Zugänglichkeit) je nach Anspruchsgruppe (z.B. Alter) unterschiedlich sind. Eine differenzierte Betrachtung der Nutzung des Raums und der Infrastrukturen ist daher auch erforderlich. Wir erarbeiten z.B. entsprechende Grundlagen; das Mobilitätsverhalten wird basierend auf Statistiken regelmässig nach Anspruchsgruppen ausgewertet. Die konkrete Umsetzung von Massnahmen ist vielfach in lokaler Zuständigkeit.

Zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr: Das Behindertengleichstellungsgesetz hält fest, dass der öV barrierefrei und damit für Menschen mit Beeinträchtigung grundsätzlich autonom nutzbar sein muss. Auch die übrigen Reisenden sind dank den BehiG-Massnahmen komfortabler unterwegs. Für die Umsetzung sind die Verkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreiber verantwortlich, bei den Bus-Haltestellen die Kantone und Gemeinde. Mit der Installation von behindertenfreundlichen Informations- und Billettausgabesystemen, der Beschaffung von Niederflur-Fahrzeugen, der Erhöhung von Perrons und dem Bau zusätzlicher Rampen und Lifte wurden in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt. Wichtige Bahnhöfe wurden prioritär umgebaut.

Bei rund 500 der insgesamt 1800 Bahnhöfe und Bahn-Haltestellen haben die Unternehmen die gesetzliche Frist von Ende 2023 indes nicht eingehalten. Hier müssen sie Überbrückungsmassnahmen (Hilfe durchs Bahnpersonal oder allenfalls Shuttledienst) anbieten, bis die Bahnhöfe für Menschen mit Beeinträchtigung grundsätzlich autonom benutzbar sind. Das Bundesamt für Verkehr BAV unterstützt die Unternehmen bei der Umsetzung des BehiG.

Im Kanton Luzern sind bei Überlandstrassen viele Velowege vorhanden, die nur im besiedelten Gebiet unterbrochen sind, resp. durch Fahrstreifen auf der Strasse ersetzt. Gibt es bald eine nationale Verpflichtung solche Velostreifen einzuführen?

Christoph Merkli: Das Veloweggesetz schreibt den Kantonen zwar vor, dass sie ein sicheres und attraktives Velowegnetz bauen müssen, doch es sagt nicht, ob es Radwege oder nur Radstreifen sind müssen. Es gibt das Empfehlungen und unverbindliche technische Normen, doch die Kantone sind bei der Ausgestaltung frei.

Wann sollte die A1 zwischen Schönbühl und Wankdorf auf 6 Spuren erweitert werden?

Christoph Merkli: Das ASTRA hat eine Realisierung ab 2027 kommuniziert. Am 24.11.2024 wird aber noch über den Kredit abgestimmt.

Wer strassen sät wird Verkehr ernten. Wieso sät man nicht eine perfekte velo Infrastruktur mit nah und Fernwegen und verzichtet auf den Ausbau der autostrasse, welche sowieso deutlich teurer sind. Dann würde man veloverkehr ernten und wenn man hier noch gezielt den öpnv einbezieht, wäre es deutlich zukunftsorientierter als Autobahnen und Landstrassen auszubauen. Es wäre auch deutlich erschwinglicher für Herrn und Frau Schweizer mit einem lastenvelo zu leben als ein Auto zu besitzen/kaufen. Kinder und Lasten liessen sich leicht auch über Land transportieren.... wenn aber weiterhin die velovege im Slalom um autostrassen gebaut werden und damit Steigungen und Umwege erhalten, während die laute auto strasse direkt durch den Ort führt, bleiben Klima, Lärm und alle Probleme und werden noch mehr.

 Christoph Merkli: Das neue Veloweggesetz verpflichtet die Kantone, bis Ende 2042 ein sicheres und attraktives Velowegnetz zu realisieren. Bei der Planung werden die Kantone auch abwägen müssen, in welches Verkehrssystem sie wie viel Geld investieren wollen. Das sind letztlich politische Entscheide, bei denen die Mehrheiten gewinnen.

 Erwin Wieland: Es mag sein, dass mehr Verkehrsinfrastrukturen (auf Strasse und Schiene) zu mehr Verkehr führen. Wer Strassen baut, ermöglicht es einer wachsenden Bevölkerung aber auch, ihre Arbeitsplätze zu erreichen, ihren Freizeitbeschäftigungen nachzugehen und sich mit Gütern für den täglichen Bedarf versorgen zu lassen.

Weshalb gibt es in den Schweizer Städten nicht viel mehr Fussgänger- und Velozonen? Eigentlich ist doch relativ klar, dass das Auto in der Stadt viel zu viel Platz und Raum einnimmt und schädlich für die Umwelt und das Wohlbefinden ist. Zudem ist belegt, dass viele Kurzstrecken mit dem Auto zurückgelegt werden, obschon diese problemlos zu Fuss, mit den öV oder dem Velo zurückgelegt werden könnten. Weshalb dauert es so lange, bis in diesem Bereich endlich etwas passiert? In diesem Fall bräuchte es doch klare Regeln oder Verbote.

Christoph Merkli: Es gibt genügend Gründe, den motorisierten Verkehr in Zentren und Quartieren einzudämmen oder zu verlangsamen. Letztlich sind es politische Entscheide von Behörden und Parlamenten, ob etwas passiert. Hinzu kommen rechtliche Verfahren zu Einsprachen und Beschwerden. In letzter Zeit hat es diesbezüglich einige Gerichtsentscheide gegeben, die zum Beispiel in Bern den Abbau von Parkplätzen oder das Signalisieren von Tempo 30 gutgeheissen haben.

Ist es statistisch erwiesen, dass ein Ausbau der Strasseninfrastruktur zu mehr Verkehr führt? Falls ja, wieso will man dann neue Autobahnen bauen, und stärkt nicht die Bahn mehr oder generell den ÖV und Langsamverkehr?

Christoph Merkli: Die ETH-Professorin für Verkehrs- und Mobilitätsplanung Eva Heinen hat kürzlich in einem Interview gegenüber dem Tamedia Verkehrsmonitor gesagt: «Aus der Wissenschaft wissen wir aber, dass mehr Strassen langfristig zu mehr Verkehr führen.» Auf welche Quellen sie sich dabei stützt, weiss ich allerdings nicht.

Was gedenken Sie in die Wege zu leiten, um den Techniker-Beruf im Aussendienst zu entlasten. Überweisen wegen Verkehrsstau Behinderungen von Baustellen, Bussenverteilung von Seiten Polizei. Angiftelungen von Kunden: «warum seid ihr schon wieder teurer geworden?» vor allem ältere Menschen trauen sich, das zu fragen.

Erwin Wieland: Ich kann Ihren Unmut sehr gut nachvollziehen. Wir schöpfen alle Mittel aus, um die Auswirkungen von Baustellen auf Autobahnen so gering wie möglich zu halten, die bestehenden Kapazitäten möglichst effizient zu nutzen und sie wo nötig zielgerichtet auszubauen. Wir sind uns sehr bewusst, wie wichtig eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur für eine moderne Gesellschaft und eine weiterhin wettbewerbsfähige Wirtschaft ist.

Autobahnen erzeugen nachweislich Mehrverkehr insbesondere in den Städten. Mit dem RPG wollen wir aber die Städte verdichten, was zu einem erhöhten Nutzungsdruck im öffentlichen Raum führt. Wie passen diese Strategien zusammen? Insbesondere, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen?

Nicole A. Mathys: Das Mobilitätsverhalten unterscheidet sich je nach Dichte im Umfeld des Wohnortes: Der Modalsplit verschiebt sich mit höherer Bevölkerungs- und Beschäftigtendichte weg vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr und zum Fussverkehr. Menschen in dichten Gebieten legen für alle Verkehrszwecke im Inland (auch für die Freizeit) kürzere Distanzen zurück. Die autofreien Haushalte nehmen mit zunehmender Bevölkerungs- und Beschäftigtendichte zu, während Haushalte mit zwei oder mehr Autos abnehmen.

Der Anteil der Haushalte mit einem Auto bleibt bis zu relativ hohen Dichten beinahe konstant und nimmt dann bei hohen Dichten ebenfalls ab. Bei hohen Bevölkerungs- und Beschäftigtendichten haben weniger Leute einen Führerausweis. Aber auch in dichten Gebieten haben über 70 % der Personen ab 18 Jahren einen Führerausweis. Quelle: ARE, Dichte und Mobilitätsverhalten (2018) Das Mobilitätsverhalten im Inland ist also im urbanen Umfeld nachhaltiger.

Bin viel mit dem Velo unterwegs und vermisse zunehmend sichere Velotouren Durch den Mehrverkehr wird es zunehmend eng für Velofahrer Auch beim Langsamverkehr wird es zunehmend eng Velo EBike Pedelec Elektrotrotti etc all das klemmt sich an den Strassenrand Die Kantone koordinieren das Ganze nicht Ich hatte noch nie einen so gefährlichen Arbeitsweg wie aktuell enge Strasse viel Lastwagenverkehr oft müssen die LKW während 1-2Kilometern hinter mir fahren Hoffentlich verliert nie einer die Geduld Wann geht es endlich voran mit separatem Radwegen

Christoph Merkli: Ich bin tatsächlich zuversichtlich, dass sich die Situation für Velofahrende dank des neuen Veloweggesetzes nach und nach verbessert. Die Kantone, die das Gesetz umsetzen müssen, sind auch verpflichtet, sich mit den Nachbarkantonen zu koordinieren. Leider wird es Jahr(zehnt)e dauern, bis die velofreundlichen Netze umgesetzt sind. Wir motivieren Kantone und Städte, auch kurzfristige und provisorische Verbesserungsmassnahmen umzusetzen.

Autos. Sind sehr praktisch. Aber die meisten Autos stehen nur rum, werden von 1 Person gefahren, sind für 90% der Fälle zu gross, und verpuffen endliche Ressourcen. Wie lässt sich das Autoproblem lösen?

Martin Bolliger: Danke für die spannende Frage. Tatsächlich sind Autos heute eher «Stehzeuge» als «Fahrzeuge». Wenn es sich dabei um Elektroautos handelt, können sie aber auch im Stehen einen Nutzen bringen: Bereits heute entlasten Elektroautos die Stromnetze, wenn sie dann geladen werden, wenn zu viel Strom zur Verfügung steht. In naher Zukunft werden sie auch bidirektional betrieben werden können und die Energie aus der Batterie dann ins Haus oder ins Verteilnetz abgeben, wenn sie dort gebraucht wird. Somit wird das «Autoproblem» zu einem Teil der «Energielösung»

Aktuell sind die Bundesämter ASTRA und BAV getrennt und verfolgen ihre eigenen Ziele und Strategien. Wäre ein Bundesamt für den Personenverkehr und eines für den Güterverkehr nicht sinnvoller, um die Themen gesamtheitlich betrachten zu können?

Nicole A. Mathys: Als Bundesamt für Raumentwicklung ARE sind wir im Lead für den Teil Programm des Sachplans Verkehr («Mobilität und Raum 2050»). Dies ist das strategische, verkehrsträgerübergreifende Koordinationsinstrument auf nationaler Ebene. es gibt den Rahmen für die Erarbeitung der Strategischen Entwicklungsprogramme (STEP) Nationalstrasse und Schiene sowie zur Prüfung der Agglomerationsprogramme vor. Als ARE liefern wir Grundlagen für die Beurteilung der Auswirkungen dieser Programme auf Raum und Umwelt sowie für deren verkehrsträgerübergreifende Abstimmung aufeinander.

Wie könnte das schweizerische Verkehrssystem im Kontext des Klimawandels umgestaltet werden, um die CO₂-Emissionen signifikant zu reduzieren, gleichzeitig die Verkehrsinfrastruktur für eine wachsende Bevölkerung zu modernisieren und den ländlichen sowie urbanen Raum gleichermassen zu berücksichtigen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als globales Logistik- und Handelszentrum zu gefährden?

Luca Castiglioni: Grundsätzlich ist die Transformation zu einem nachhaltigeren und klimafreundlichen Verkehrssystem bereits in die Wege geleitet. Dabei werden unterschiedliche Ansätze verfolgt. Die Elektromobilität ermöglicht eine schnelle und energieeffiziente Dekarbonisierung des Individualverkehrs. Gleichzeitig muss der Umstieg auf flächen- und energieeffizientere Verkehrsträger gefördert werden, z. B. durch ein verbessertes und integriertes Angebot im öffentlichen Verkehr sowie durch Ausbau der Infrastruktur für den Aktiv- und Langsamverkehr (Velos, E-Bikes, ..). Gleichzeitig ermöglichen neu digitale Arbeitsformen, allen voran Home Office auch eine Reduktion von unnötigen Arbeitswegen.

Weshalb wird die Infrastruktur für Velos nicht sicherer gestaltet? Ein Bisschen gelbe Farbe genügt nicht bei einem hohen Verkehrsaufkommen. Mit der steigenden Beliebtheit von E-Trottis und E-Bikes sollten durchgängige Velowege innenstädtisch sowie ausserstädtisch höher priorisiert werden. Viele Velowege wechslen nach jedem Dorf die Strassenseite, welches eine Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer bildet.

Christoph Merkli: Sie sprechen mir aus dem Herzen! Mit dem Veloweggesetz, das seit letztem Jahr in Kraft ist, gibt es nun einen starken Hebel, um die Veloinfrastruktur zu verbessern. Das Gesetz sagt nicht nur, dass Velowegnetze geplant und gebaut werden müssen, sondern auch, welche Qualitätskriterien dabei gelten sollen. Wo und wie gute Velowege dann tatsächlich gebaut werden, ist allerdings auch eine politische Frage.

Wir wird damit umgegangen, dass Strassenprojekte ein ewig langes Bewilligungsverfahren haben. Wenn ein Projekt dann man ausgeführt werden kann, ist es schon wieder zu wenig leistungsstark dimensioniert. Wir haben immer mehr Bevölkerung und die individuelle Mobilität (vor allem Auto) nimmt zu.

Erwin Wieland: Von der Idee bis zur Inbetriebnahme eines Strassenprojektes dauert es heute gut und gerne 20 bis 40 Jahre. Diese lange Dauer bringt zum Ausdruck, dass sehr viele Interessen zu berücksichtigen sind, die Interessen oft diametral auseinandergehen und der Platz im dichtbesiedelten Mittelland immer knapper wird. Einfache und rasch umsetzbare Ausbauten gibt es heute nicht mehr. Umso wichtiger ist es, die nötigen Massnahmen führzeitig anzugehen und unseren Verkehrsinfrastrukturen auf Strasse und Schiene Sorge zu tragen.

Wie wird sich der öffentliche Verkehr verändern? wird er in Zukunft (viel) mehr ausgebaut, werden kleine Dörfer stärker angeschlossen?

Nicole A. Mathys: Antwort zum Teil Bahn des ÖV: Mit der «Perspektive BAHN 2050» (BAV) setzt der Bund einen Fokus auf die Weiterentwicklung der Bahn auf kurzen und mittleren Distanzen. Das grösste Potenzial der Schiene im Personenverkehr liegt innerhalb der Agglomerationskerne und der Agglomerationsgürtel sowie bei Verbindungen zwischen regionalen und ländlichen Zentren und den Agglomerationen. Konkret heisst dies für die Angebotsentwicklung im Personenverkehr:

  • Stärkung des S-Bahn-Verkehrs
  • Neue Durchmesser- und Tangentiallinien in Agglomerationen
  • Ausbau der Vorortsbahnhöfe mit vermehrt Bedienung durch IR- und RE-Züge
  • Anbindung von kleineren und mittelgrossen Städten an die grossen Agglomerationen
  • Ausbau von Bahnhöfen zu Verkehrsdrehscheiben mit Umsteigemöglichkeiten zu anderen Verkehrsmitteln und Koordination mit dem Fuss- und Veloverkehr (inkl. Förderung entsprechender verkehrsmittelübergreifender Angebote)
  • Förderung neuer Mobilitätsformen (Sharing, Pooling)
  • Gezielte Fahrzeitverkürzungen im Fernverkehr, wo die Bahn gegenüber der Strasse in Bezug auf die Reisezeit noch nicht wettbewerbsfähig ist
  • Im internationalen Personenverkehr häufigere und gut vernetzte Verkehrsangebote sowie gezielte Fahrzeitverkürzungen

Haben neue Trends wie E-Scooter einen Einfluss auf Verkehrsplanung? Irgendwie waren die plötzlich überall

Christoph Merkli: Diese neuen Fahrzeuge fallen von Gesetzes wegen in die Kategorie der Elektrovelos. Sie verkehren auch auf den Veloinfrastrukturen. Das Veloweggesetz verpflichtet die Kantone, Velowegnetze zu planen. Dabei müssen sie alle Fahrzeuge, die darauf verkehren, berücksichtigen.

Es gibt immer mehr Stau (z.B. am Gotthard). Können wir nicht einfach mehr Spuren bauen? Dann hat es mehr Platz für die Autos.

Erwin Wieland: Wo die Probleme auf der Strasse am grössten sind und alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, tun wir das. Im Fokus stehen dabei die Autobahnen rund um die grösseren Städte und die Agglomerationen. Dort ist es besonders wichtig, dass die Autobahnen funktionieren und der Verkehr nicht in die Dörfer und die Quartiere ausweicht.

Warum muss der Velotransport in der Bahn bezüglich Kosten und Infrastruktur hinten anstehen. Die Bahn hätte vor allem auf dem Land eine höhere Anziehungskraft, wenn der Velotransport kundenfreundlich gestaltet würde. (Siehe ÖBB)

Christoph Merkli: Das Hauptproblem beim Veloverlad sind die mangelnden Kapazitäten in den Zügen, dies vor allem zu den Spitzenzeiten (Sommer, Wochenenden, beliebte Strecken). Die SBB hat die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten verschlafen. Bei künftigen Beschaffungen von Rollmaterial soll zwar das Velo besser berücksichtigt werden, doch das wird leider noch viele Jahre dauern. Vielleicht lässt sich mit dem Umbau von bestehenden Zügen eine Verbesserung erreichen. Ein Lichtblick ist der laufende Pilotversuch der Südostbahn mit den flexiblen Velo-Abteilen.

Ich als Fussgänger fühle mich je länger umso mehr bedroht durch die vielen Velofahrer die alle Rechte für sich beanspruchen: Sei es in Fussgänger Zonen mit Fahrverbot, auf Spazierwegen und Trottoirs. So macht es keinen Spass mehr spazieren zu gehen.

Christoph Merkli: Es tut mir leid, wenn Sie sich durch Velofahrende bedroht fühlen, das soll nicht sein! In der Vergangenheit wurden leider in einigen Städten Gehflächen für Velos geöffnet, weil der Platz für eine separate Velospur fehlte. Das neue Veloweggesetz sieht aber klar vor, dass der Veloverkehr getrennt vom motorisierten Verkehr und vom Fussverkehr geführt werden soll. Dies wird dazu führen, dass weniger Velos auf Gehflächen unterwegs sind.

Wie nachhaltig sind die Schweizer Verkehrskonzepte eigentlich bereits (in Sachen CO2-Austoss) im Vergleich mit anderen Ländern?

Martin Bolliger: Über 30% des CO2-Ausstosses der Schweiz wird durch den Strassenverkehr verursacht (Verbrennung von Benzin und Diesel). Zwischen 2008 und 2022 sind die verkehrsbedingten CO2-Emissionen (ohne Luftfahrt) um 19% gesunken. Die Elektrifizierung von Autos und Lastwagen vermindert sich der CO2 Ausstoss wesentlich. Beim Anteil der Elektroautos an den Neuwagen ist die Schweiz in Europa im vorderen Drittel (Erstes Halbjahr 2024 25% Steckerfahrzeuge, Rang 11). Bei den Schweren Nutzfahrzeugen gleich hinter Norwegen mit 8.4% auf Rang 2.

Meine Wahrnehmung: grössere Städte wie Zürich werden eher velounfreundlicher. Würden Sie dem zustimmen? Frage an Pro Velo Schweiz

Christoph Merkli: Die regelmässigen Umfragen von Pro Velo bei Velofahrenden zeigen, dass die grossen Städte eher velofreundlicher werden. Die Verbesserung ist in den Augen der Velofahrenden jedoch nicht markant. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Erwartungen an eine gute Veloinfrastruktur gestiegen sind.

Mich dünkt dass in Bern oftmals wenn es um die Verkehrszukunft geht Schienenbahn gegen Autobahn ausgespielt wird, vor allem nun durch die neue UVEK-Führung. Wie schätzen Sie das ein?

Nicole A. Mathys: «Mobilität und Raum 2050» ist das verkehrsträgerübergreifende Koordinationsinstrument des Bundes und damit die Mobilitätsstrategie des Bundesrats. Ziel ist u.a. eine effiziente Mobilität, die eine nachhaltige Raumentwicklung unterstützt und sich so wenig wie möglich negativ auf die Umwelt auswirkt. Die Stärken der jeweiligen Verkehrsträger und -angebote werden entsprechend der spezifischen Gegebenheiten und Bedürfnisse der verschiedenen Raumtypen genutzt und ergänzen sich gegenseitig. D.h. die Verkehrsträger werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern werden so eingesetzt, dass sie sich optimal ergänzen. Quelle: Mobilität und Raum 2050: Sachplan Verkehr, Teil Programm

Frage an Frau Mathys: Das ARE berechnet doch die externen Koaten des Verkehrs. Dabei fällt auf, dass die Annahmen sehr autofreundlich gewählt sind. Der Kostensatz des CO2 ist sehr tief gewählt. Wir stimmen bald um Autobahnen und Bahnprojekte ab. Sollten wir hier nicht endlich mal bessere Daten kriegen, damit wir die Schäden des Verkehrs besser beurteilen können?

 Nicole A. Mathys: Unsere Berechnungen sind verkehrsträgerneutral. Regelmässig überprüfen wir (unter Einbezug von nationalen & internationalen Experten) die Methodik und die Annahmen, die wir verwenden. Aktuell läuft eine Methodenüberarbeitung, der Klima-Kostensatz wird dabei ebenfalls überprüft.

Vertiefende Frage an Frau Mathys: Sie haben einen Austausch mit internationalen Experten angesprochen. Wie sieht dieser aus? Sind diese von Regierungen, oder auch von NGO/Thinktanks? Wie regelmässig finden diese Austausche statt?

 Nicole A. Mathys: Danke für die Rückfrage. Der Austausch findet primär mit Fachpersonen z.B. Experten an Hochschulen oder Beratern statt. Wir verfolgen ebenfalls die Arbeiten & Vorgaben anderer Länder (z.B. D, USA, oder via OECD). Mit NGO/Thinktanks stehen wir weniger im Kontakt. Der Austausch ist unregelmässig (z.B. wenn neue Erkenntnisse vorliegen oder ein Methodenupdate ansteht). Ca. alle 5 Jahre werden Methodik und Annahmen hinterfragt. Dazwischen machen wir «nur» jährliche Aktualisierungen. Wir strecken uns nach den Ressourcen.

Welche Antriebsstoffe werden sich Ihrer Meinung nach langfristig durchsetzen? Sind es Elektroantriebe, Wasserstoff, andere künstliche Antriebsformen und wird weiterhin ein Gemisch aus Auto, Bahn und Flugzeuge die Mobilität der Menschen prägen oder werden sich zukünftig andere Formen durchsetzen?

Martin Bolliger: Die batterieelektrischen Fahrzeuge gewinnen aktuell stark an Bedeutung, sowohl bei den Autos wie auch bei den Lastwagen. Der Elektroantrieb ist allen anderen punkto Effizienz und Einfachheit deutlich überlegen. So braucht ein batterieelektrisches Auto fünf bis 10 Mal weniger Strom als ein konventionelles Auto, welches mit E-Fuels betrieben wird und der Strom kann im Inland hergestellt werden. Solange Strom aus erneuerbaren Quellen ein knappes Gut ist, werden die Elektrofahrzeuge ihren Vorsprung Behalten (aktuell sind weltweit 30% des Stroms weltweit aus erneuerbaren Quellen) Die Batterieproduktion und die Recycling-Prozesse haben in den vergangenen Jahre eine rasche Entwicklung durchgemacht und sind heute bereit für die Massenproduktion. Damit ist auch für viele Materialien eine Kreislaufwirtschaft möglich.

Video
Bund zieht positive Bilanz zum Programm Verkehrsdrehscheiben
Aus Tagesschau vom 16.08.2024.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 47 Sekunden.

Rendez-vous, 16.08.2024, 12:30 Uhr ; 

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