Christian Jott Jenny hat sich im letzten Herbst überraschend im zweiten Wahlgang gegen den bisherigen und langjährigen Gemeindepräsidenten von St. Moritz, Sigi Asprion durchgesetzt. Kaum im Amt schaffte es der neue Gemeindepräsident rund um eine riesige Hochzeitsparty einer indischen Milliardärsfamilie mehrfach in die Schlagzeilen.
SRF News: Christian Jott Jenny, sie wollten explizit kein, wie sie sagten «dröges 100-Tage-Interview» führen. Ist Ihnen die Politik bereits dröge genug?
Christian Jott Jenny: Dröge nicht. Aber natürlich ist sie umständlich. Das System ist langwierig, ich würde gerne schneller arbeiten als dies in der Politik möglich ist. Wir haben aber eine Verwaltung mit tollen Leuten, das macht Spass.
Dröger klingt da ihr Amt, dass Sie als Vertreter von St. Moritz für die Region Maloja übernommen haben. Sie sind in der Fachkommission Abfallbewirtschaftung. Damit haben Sie sich vermutlich kaum je auseinandergesetzt?
Ich bin sehr gespannt auf die erste Sitzung. Und wir alle haben ja Abfall zuhause, deshalb wissen wir doch alle etwas über Abfall Bescheid.
Den Parteien gegenüber fühle ich mich nicht verpflichtet.
Rund um Ihre Wahl gab es Misstöne. Die Parteien haben Sie nicht unterstützt, nach der Wahl wurde Ihr Lohn gekürzt. Spüren Sie diese Misstöne noch?
Auf jeden Fall. Ich mache meine Arbeit für die Gemeinde und die Bevölkerung, den Parteien gegenüber fühle ich mich nicht verpflichtet.
Das klingt nicht gerade harmonisch.
Ich kann relativ gut improvisieren.
Brücken bauen wollen Sie aber keine?
Doch, das mache ich den ganzen Tag. Ich nehme aber nicht an sinnlosen Sitzungen teil, an denen man sich immer nur im Kreis dreht. Wichtig ist, dass man die Gesamtperspektive nicht aus den Augen verliert, weil man immer nur auf das eigene Umfeld schaut.
Passend zum Amtsschimmel habe ich mir ein Schimmel-Klavier ins Büro gestellt.
Apropos Misstöne, respektive Töne. Wie oft singen Sie auf der Kanzlei?
Passend zum Amtsschimmel habe ich mir ein Schimmel-Klavier ins Büro gestellt. Das benutze ich auch mal bei Trauungen, das Trauungszimmer liegt direkt neben meinem Büro.
Kürzlich hat St. Moritz Visionen für das Jahr 2030 vorgestellt. Ein ganzer Strauss von Ideen, von der Aufwertung des Seeufers bis hin zu der Vision, neue Unternehmen anzusiedeln. Wie sieht Ihre persönliche Vision für St. Moritz aus, wie lebt die Bevölkerung dort in zehn Jahren?
St. Moritz muss eine Bergstadt sein und darf sich nicht mehr als Dorf verstehen. Eine kleine, aber urbane Stadt mit dem bis dahin hoffentlich modernisierten Flughafen Samedan. Zudem braucht es auch ausserhalb der Hochsaison mehr Leben. Ein attraktiveres Seeufer würde das Ortsbild massiv aufwerten.
Bis 2030 sollen die Visionen umgesetzt werden, sind Sie dann noch Gemeindepräsident?
Ich hoffe nicht. Bis dahin sollten die Oberengadiner Gemeinden nämlich fusioniert haben.
Das Gespräch führte Marc Melcher.