Die Stadt Solothurn hat zwar 17'000 Einwohner – aber kein Parlament. Wichtige Entscheide fällt das Volk an der Gemeindeversammlung. Das soll sich nun ändern.
Eine Arbeitsgruppe, die im Auftrag der Stadtregierung die Gemeindeordnung überprüft hat, kommt zum Schluss: Die Gemeindeversammlung soll abgeschafft und stattdessen ein 30-köpfiges Parlament eingeführt werden.
Das sind die Gründe:
- Solothurn wird weiterwachsen und das Volk wird prozentual gesehen an der Gemeindeversammlung immer schlechter vertreten sein.
- Das Parlament sorgt für eine bessere Repräsentation der Stimmbevölkerung als die Gemeindeversammlung.
- Die direkte Demokratie bleibt auch bei einem Parlament erhalten. Die Parlamentarier werden vom Volk gewählt. Gegen Parlamentsbeschlüsse kann das Referendum ergriffen werden. Die Stimmberechtigten können Initiativen oder Volksmotionen einreichen.
Das Modell «Olten»
In der Stadt Solothurn soll gleichzeitig mit der Einführung des Parlaments die Exekutive verkleinert werden. Heute besteht diese in der Stadt Solothurn aus dem 30-köpfigen Gemeinderat. Neu soll es einen 5-köpfigen Stadtrat geben, schlägt die Arbeitsgruppe vor.
Dabei soll in Solothurn das Modell «Olten» eingeführt werden, und nicht das Modell «Aarau». Olten hat 5 Stadträte mit Pensen über 50 Prozent, die jeweils einen Teil der Verwaltung leiten. In Aarau haben die Stadträte (ausser dem Stadtpräsidenten) Pensen unter 50 Prozent, die Verwaltung wird vom Stadtpräsidenten koordiniert.
Mitte-Links dafür, FDP und SVP dagegen
Angeregt hatte die Überprüfung des Systems ein Vorstoss der CVP/GLP-Fraktion im Gemeinderat. Die beiden Mitte-Parteien sowie SP und Grüne stehen denn auch hinter den möglichen Änderungen. Einige ihrer Argumente dafür:
- Das Amt des Stadtpräsidenten oder der Stadtpräsidentin soll weniger Macht in einer einzigen Person vereinen. Macht und Verantwortung sollen auf 5 Stadträte verteilt werden, einer davon würde als Stadtpräsident gewählt.
- Die Solothurner Gemeinderätinnen und Gemeinderäte haben Probleme mit ihrem Rollenverständnis. Sie fühlen sich bereits jetzt als Mitglieder eines Parlaments – allerdings ohne die entsprechenden Kompetenzen.
- Heute kann der Gemeinderat seine Kontrollfunkion gegenüber der Verwaltung nur teilweise wahrnehmen. Die gewährten Einblicke reichen nicht aus, der Aufwand für richtige Kontrollen ist zu gross.
- An den Entscheiden der Gemeindeversammlung ist jeweils nur ein Bruchteil der Stimmbevölkerung beteiligt. Wer verhindert ist, kann nicht teilhaben.
Gegen die Abschaffung der Gemeindeversammlung und die Einführung eines Parlaments sind FDP und SVP. Ihre Argumente für das heutige System:
- An der Gemeindeversammlung trifft man sich, sie ist ein identitätsstiftender Ort. Wer neu in die Stadt zieht kann sich an der Gemeindeversammlung einbringen.
- Auch bei geringer Beteiligung an einer Gemeindeversammlung entscheiden immer noch mehr Personen als in einem gewählten Parlament. Die neue Hierarchiestufe eines Stadtrats braucht es nicht.
- Die zusätzlichen Kosten von jährlich geschätzt 700'000 Franken für Parlament und Stadtrat sind hoch.
- Anpassungen und Änderungen am heutigen System können auch ohne einen fundamentalen Umbau vorgenommen werden.
Noch nichts entschieden
Der Entscheid der Arbeitsgruppe zugunsten eines Parlaments fiel mit 6 gegen 4 Stimmen. Als nächstes wird nun der Gemeinderat über den Vorschlag befinden. Stimmt der Gemeinderat zu, kann danach die Gemeindeversammlung entscheiden, ob sie sich selber abschaffen will.