Das ist die Situation heute: Soeben sind unzählige Jugendliche im Alter von 15 oder 16 Jahren in eine Lehre gestartet. Ein aufregender Lebensabschnitt, aber auch ein schwieriger. Der Wechsel nach der obligatorischen Schulzeit ins Berufsleben gelingt nicht allen gut. Plötzlich gibt es weniger Vorgaben durch die Schule, hohe Erwartungen des Lehrmeisters oder der Eltern. Zudem werden sie langsam erwachsen und müssen mit diesem Wechsel klarkommen.
Grosser Wechsel im Leben: Wenn Jugendliche zusätzlich Probleme zu Hause haben, Probleme beim Lernen auftauchen oder sie mit der Dauerpräsenz in den sozialen Medien nicht klarkommen, dann wird der Druck auf sie zu gross. Manche Jugendliche müssen die Jugendpsychiatrie aufsuchen. Im schlimmsten Fall kann es zu Lehrabbrüchen kommen - eine Situation, die Lehrbetriebe und Ausbildner verhindern wollen.
Das erleben die Berufsfachschulen: «Es gibt Zeichen, die wir als Berufsfachschullehrer erkennen müssen. Wenn ein Lernender nervös ist, sich verschanzt, dann stimmt etwas nicht», sagt Christian Bohner, Leiter des Solothurner Bildungszentrums BLV und Berufsfachschullehrer in Olten. Manchmal fehle den Jugendlichen der Halt zu Hause, oder die Lernumgebung stimme nicht. «Oft wird auf dem Bett gelernt, mit Kopfhörern auf den Ohren, ohne Pult. Das muss man Jugendlichen oft lehren», weiss Bohner aus Erfahrung. Da helfe eine ruhige Lernumgebung in der Schule, zum Beispiel.
So kann es im Lehrbetrieb sein: Wenn Jugendliche nicht mehr zur Arbeit erscheinen, sich anders verhalten, dann müssten Ausbildner reagieren, sagt Pia Engel, Lernendenbetreuerin und HR-Fachfrau bei Coop. Coop bildet viele Jugendliche in der Region Aargau Solothurn aus. «Wir spüren einen Trend, dass es mehr Probleme gibt in der Lehre. Was die Gründe dafür sind, ist schwierig zu sagen. Die Jugendlichen können das lange überspielen», so Engel. Der Lehrbetrieb merke das meist sehr spät.
Mögliche Anlaufstellen: Grosse Unternehmen wie Coop bieten einen anonymen Sozialdienst, an den sich Jugendliche wenden können. Zudem gibt es kantonale Angebote, wie die Solothurner Jugendpsychiatrie oder der jugendpsychologische Dienst «ask» im Aargau. Vermehrt seien aber Ausbildner und Lehrer gefragt, sagt Christian Bohner vom Bildungszentrum BLV. Sie müssten als verlässlicher Coach die Jugendlichen durch diese Veränderung begleiten und aufmerksam sein, wenn etwas nicht stimme, sagt er.
Das sind mögliche Lösungen: Man müsse Probleme immer rasch ansprechen, sagen Berufsfachschullehrer, Lernendenbetreuer und auch die Chefärztin
Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kanton Solothurn, Barbara Wendel-Widmer. Man wisse aus Studien, dass die Überforderung der Jugendlichen zunehme. Auch Social Media trage dazu bei, weil darin Scheinwelten vorgelebt werden, anstatt die Beziehungen real zu leben. Hier würden die Erwachsenen die Jugendlichen momentan noch etwas zu sehr alleine lassen, findet Wendel.
Mit Problemen leben: Die Jugendpsychiatrie könne den Jugendlichen helfen, Probleme zu identifizieren. Danach schaue man mit Eltern und Ausbildnern, wie man helfen könne, so Wendel im Interview mit SRF. Anders als in der Erwachsenenpsychiatrie werde das Umfeld bei unter 18-Jährigen immer miteingebunden. 40 bis 50 Prozent der Jugendlichen seien gestresst, das zeigten Umfragen, sagt Wendel.
Aber nur ein kleiner Teil der Jugendlichen brauche am Schluss psychiatrische Behandlung. Depressionen, ADHS, Angststörungen, das nehme zwar zu. Häufig spreche man bei Jungen von «Mis-Fit-Situationen». Situationen, in denen der Jugendliche nicht rein passt. Finanzielle Probleme zu Hause, Eltern, die selbst krank seien, solche Faktoren können die Jugendlichen aus der Bahn werfen. Oft könne die Jugendpsychiatrie helfen, «aber gewisse Probleme im Leben bleiben, das wissen wir alle», erklärt Wendel. Das Ziel sei, dass die Jugendlichen lernen mit den Problemen umzugehen.