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Studienstart Impfung gegen Lungenkrebs: So wirkt der mRNA-Impfstoff

Zum ersten Mal hat ein Patient im Rahmen einer klinischen Studie eine mRNA-Impfung gegen Lungenkrebs erhalten. Der Impfstoff von Biontech soll nun in Grossbritannien, Deutschland, Ungarn, Polen, Spanien, der Türkei und den USA getestet werden. Etwa 130 Patientinnen vom Frühstadium bis hin zum fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder wiederkehrendem Krebs sollen in dieser ersten Testphase an der Studie teilnehmen. SRF-Wissenschaftsredaktorin Nina-Lou Frey kennt die Hintergründe. 

Nina-Lou Frey

SRF-Wissenschaftsredaktorin

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Nina-Lou Frey ist seit 2021 bei SRF in der Wissenschaftsredaktion tätig. Sie hat zuvor bei verschiedenen Medienhäusern im Print, Online, Radio und TV gearbeitet und das Studium in Kommunikationswissenschaften und Journalismus absolviert.

Weshalb kommt die mRNA-Impfung gerade jetzt? 

Die mRNA-Technologie hat durch die Pandemie einen enormen Schub bekommen. Schon lange vorher nutzten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Technologie, aber erst durch die Pandemie fliesst viel mehr Geld in dieses Gebiet. Das bedeutet: Da passiert jetzt einiges. So wird aktuell an mRNA-Impfstoffen für Krebsarten wie Brust-, Prostata, Darm- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs geforscht.

Arzt verabreicht Impfung im Arm eines Patienten.
Legende: Aktuell wird ein Impfstoff gegen Lungenkrebs getestet. (Symbolbild) Keystone/BIONTECH SE/HANDOUT

Warum gerade Lungenkrebs?

Lungenkrebs weist weltweit die höchste Sterberate aller Krebsarten auf: Jedes Jahr sterben etwa 1.8 Millionen Menschen daran. Hierzulande ist Lungenkrebs die am zweithäufigsten diagnostizierte Krebserkrankung.

Bei Lungenkrebspatientinnen und -patienten kommt es oft vor, dass der Krebs wiederkehrt, sogar nach einer Operation und Bestrahlung. Genau hier erhofft man sich eine Verbesserung mit dem neuen mRNA-Impfstoff von Biontech. Aber: Die klinische Studie, bei welcher der neue mRNA-Impfstoff namens «BNT116» injiziert wird, steht noch ganz am Anfang. Erst im Jahr 2027 soll die Studie abgeschlossen sein. Und dann braucht es noch einmal weitere Studien, mit mehr Teilnehmenden. Das wird alles noch Jahre dauern, bis Patienten diese Therapie regulär bekommen könnten.

Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe?

Was man ja kennt, sind Impfungen, die dafür sorgen sollen, dass man gar nicht erst krank wird. Die mRNA-Impfstoffe sind hingegen für Menschen gedacht, die bereits an Krebs erkrankt sind. Es sind therapeutische Impfungen. Sie sollen das Immunsystem darauf trainieren, die Krebszellen zu erkennen und anzugreifen.

Krebs ist ein Sammelbegriff, jede Art hat eigenen Mutationen. So unterscheiden sich nicht nur Krebsarten von anderen, der Krebs ist in jedem Patienten anders. Wenn konkret zwei Personen an einer Form von Lungenkrebs erkrankt sind, könnte der Impfstoff bei der einen anschlagen, bei der anderen aber nicht.

Kann eine Impfung bisherige Behandlungsmethoden ersetzen?

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Ersetzen nicht unbedingt, sagt die SRF-Wissenschaftsredaktorin Nina-Lou Frey. «Aber es ist eine weitere Therapiemöglichkeit. Die Hoffnung der Forschung ist, dass die Impfung hinzugezogen werden kann, wenn keine andere Behandlung geholfen hat. Beispielsweise bei Bauchspeicheldrüsenkrebs – eine Krebsart mit einer Überlebensrate von etwa zwölf Prozent.» Ausserdem ist es Frey zufolge möglich, dass diese Therapien weniger Nebenwirkungen haben, weil sie gezielter nur auf Krebszellen gehen als herkömmliche Methoden.

Wie kann die Impfung dem Immunsystem der Betroffenen helfen?

Bei uns allen ist das Immunsystem ständig auf der Suche nach Fremdem im Körper, egal ob Krankheitserreger oder Krebszellen. Und Krebszellen entstehen im Grunde genommen laufend. Das Immunsystem erkennt sie fast immer und zerstört sie. Aber manchmal schaffen es die Krebszellen, sich vor dem Immunsystem zu tarnen. Oder das Immunsystem wird müde. Die Impfung ist der Versuch, das Immunsystem wieder zu aktivieren, sodass es die Krebszellen wieder bekämpft.

Teil des britischen «Matchmaking»

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Die neu begonnene Studie ist Teil des britischen «Matchmaking» zwischen Patientinnen und Impfstoff-Herstellern. Grossbritannien stellt Firmen Daten zu den Eigenschaften der Tumore von allen Krebspatienten zur Verfügung, sofern diese damit einverstanden sind.  Die Forschenden finden in dieser Datenbank dann passende Teilnehmende für ihre Studie. Mit dem sogenannten «Vaccine Innovation Pathway (VIP)» soll die Entwicklung neuer Impfstoffe vorangetrieben werden.

Speziell an der neuen mRNA-Impfungen ist: Man fertigt für jeden Patienten einen Impfstoff an. Doch obwohl der Impfstoff auf die Merkmale der persönlichen Tumorzellen angepasst wird, kann es trotzdem sein, dass die mRNA-Impfung nicht wie gewünscht funktioniert.

Wichtige Links

SRF 4 News, 27.08.2024, 16:30 Uhr ; 

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