Sarah Siksou ist 46 Jahre alt – und krebskrank. 15 Chemotherapiezyklen hat sie hinter sich. Sie braucht eine Pause. Ihr Arzt setzt die Hoffnung ist das Medikament Tibsovo des französischen Pharmaunternehmens Servier.
Das Medikament ist in der Schweiz allerdings noch nicht zugelassen. Siksous Arzt stellt ein Kostengutsprachegesuch an die Krankenkasse. Diese prüft es und lehnt eine Kostenübernahme ab. Darüber ist Siksou empört: «Es kann doch nicht sein, dass sich meine therapeutische Option wegen der Profitgier der einen oder anderen in Luft auflöst.»
Auf eigene Faust
Nach Absage der Krankenkasse richtet sie sich – mithilfe ihres Anwalts und ihren Ärzten – schliesslich direkt an Hersteller Servier. Gemeinsam konnten sie aushandeln, dass Siksous Medikamententherapie jeden zweiten Monat gratis ist. Für 25'000 Franken jeden zweiten Monat müsse sie selbst aufkommen.
Sarah Siksou erhielt das Medikament erst im Herbst des letzten Jahres und musste bisher noch nichts bezahlen. Ob es bei ihr auch anschlägt, weiss sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Helsana, die Krankenkasse von Sarah Siksou, schreibt auf Anfrage, es sei ein tragischer Fall. Helsana erhalte jährlich über 6000 solcher Anfragen, welche in 80 bis 90 Prozent entweder sofort gutgeheissen oder einen Therapieversuch ermöglichen würden.
«Eine Ablehnung erfolgt nur dann, wenn die gesetzlich geforderten Kriterien nicht erfüllt sind», so die Krankenkasse. Gegenüber Sarah Siksou sagt sie, dass der Preis zu hoch und der Nutzen des Medikaments zu klein sei.
Julian Wampfler vom Inselspital Bern ist der Onkologe von Sarah Siksou. Viele seiner Patientinnen und Patienten seien auf Medikamente angewiesen, die noch nicht zugelassen sind.
Das Beantragen von Kostengutsprachen gehöre zu Wampflers Alltag und erfordere Zeit. Das ist «sehr störend», vor allem für Kranke wie Siksou, deren Lebenszeit limitiert ist.
Ist ein Medikament in der Schweiz nicht zugelassen, aber lebenswichtig, kommt Artikel 71 der Krankenversicherungsverordnung zum Zug. Dieser verpflichtet die Krankenkasse dennoch, eine Kostenübernahme zu prüfen.
Konkret stellt ein Arzt eine Kostengutsprache an die Krankenkasse. Ein oder mehrere Vertrauensärzte der Krankenkassen prüfen das Gesuch auf Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit und versuchen, mit der Herstellerfirma des Medikaments einen Preis auszuhandeln. In vielen Fällen kommt es zuerst zu einem sogenannten Therapieversuch, in dem die Pharmafirma das Medikament für einige Monate gratis zur Verfügung stellt. Hilft es, übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Im Falle von Sarah Siksou konnten sich Krankenkasse und Servier weder auf einen Preis noch auf einen Therapieversuch einigen. Die Herstellerfirma Servier schreibt auf Anfrage: «Servier kommuniziert nicht zu Preisen von Produkten, die nicht in der Schweiz registriert sind.»
Für Siksous Arzt ist ihr Fall besonders stossend. Denn, dass eine schwerkranke Patientin direkt mit der Pharmafirma verhandelt, sei aussergewöhnlich. Nicht alle Leute hätten die Energie und die Möglichkeit, sich so für sich einzusetzen. «Aber schlussendlich ist die Situation ein Resultat von den geltenden Rahmenbedingungen», so Wampfler.
Das Hin und Her mit der Krankenkasse und der Pharmafirma hat Sarah Siksou viel Energie gekostet, wie sie selbst sagt: «Das finde ich sehr frustrierend. Es ist ein Einzelkampf. Wenn man den nicht selber führt, dann führt ihn niemand.»