Der Alpsommer ist noch jung. Das Thema aber ist ein altes in Graubünden: der Wolf. Im Kanton habe sich die Zahl der Tiere in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Besonders betroffen ist die Surselva. Fünf der elf Schweizer Rudel durchstreifen die Region.
«Jetzt isch gnuag Heu dunne», sagt Silvan Caduff, Präsident des Bauernvereins Surselva. Der Bauer aus Morissen in der Val Lumnezia spricht aber nicht nur von Tierleid, sondern vor allem von Rechten und Gesetzen: «Unser Eigentum wird entwertet, indirekt enteignet. Und das ist nicht nur unser Eigentum, sondern auch das der Alpen, die im Kanton zum grossen Teil im Besitz der Gemeinden und von privaten Genossenschaften sind.» Wenn die Alpen nicht mehr bestossen werden könnten, seien sie auch nichts mehr wert und wachsen ein.
Unser Eigentum wird entwertet, indirekt enteignet.
Rechtliches Gutachten
Der juristische Ton entspricht der neuen Strategie der Bäuerinnen und Bauern. Im vergangenen Sommer hatten sie ein Rechts-Gutachten in Auftrag gegeben, das sie nun veröffentlicht haben.
Das Gutachten kommt zum Schluss: Das momentane Jagdgesetz schütze die Bäuerinnen und Bauern nicht genug. Ausserdem verpflichte die Verfassung den Staat dazu, Eigentum vor dem Wolf zu schützen.
Eingreifen lässt sich aber nur auf Basis des Jagdgesetzes. Und ein neues, schärferes Jagdgesetz scheiterte erst im Herbst an der Urne. Eine sanfte Verschärfung zumindest hat der Bundesrat aber auf Mitte Juli mit der neuen Jagdverordnung in Kraft gesetzt.
Die Gegenseite
Bei Pro Natura versteht man die Nöte der Menschen in der Surselva. Sara Wehrli, Verantwortliche für Grosse Beutegreifer und Jagdpolitik, betont aber, dass der Herdenschutz in der Surselva allmählich Wirkung zeige: «Das ist sicher langsam, vielleicht unerträglich langsam für die betroffenen Landwirte. Damit das noch schneller vorangehen kann, damit der Herdenschutz noch schneller greifen kann, bräuchte es vor allem auch viel mehr Geld.»
Jungtiere zum Abschuss
In der Surselva ist man davon nicht überzeugt. Herdenschutz mit Elektro-Zäunen und Hunden sei zwar wichtig, lasse sich aber nicht in jedem Gelände realisieren. Deshalb sollen bei problematischen Wolfsrudeln mehr Jungtiere sofort geschossen werden dürfen. Bisher ist jeweils nur die Hälfte zum Abschuss erlaubt und das erst im Herbst – oft Monate nachdem die Tiere gerissen worden seien. «Das wäre ja eigentlich unser Wunsch», meint Bauer Silvan Caduff, «dass man die Tiere, diese Problemtiere dann aus dem Verkehr ziehen kann, wenn der Schaden eintritt. Und das heisst: sofort.»