Das geplante Terrorismus-Gesetz will der Polizei zusätzliche Möglichkeiten geben, gegen Radikalisierung und Terrorismus vorzugehen. Es regelt die polizeilichen Massnahmen gegen den Terrorismus (PMT) und soll präventiv wirken und so die Terror-Gefahr eindämmen.
Verschiedene Kantone und Städte stehen bereits heute in Kontakt mit möglichen terroristischen Gefährderinnen und Gefährdern. Sie begleiten diese im sogenannten Bedrohungs-Management. Verschiedene Stellen sind involviert, etwa die Sozial- oder Erziehungsbehörde, der psychologische Dienst, die Polizei, die Migrations-Behörden oder die KESB. So soll eine weitere Radikalisierung verhindert werden.
Führen diese gemeinsamen Versuche nicht weiter, sollen die Kantone künftig neu das Bundesamt für Polizei Fedpol zuschalten können, das auf Basis der PMT zusätzliche Massnahmen genehmigen kann. Über das Gesetz wird am 13. Juni abgestimmt.
Anhand von fünf fiktiven Fallbeispielen debattieren ein Gegner und ein Befürworter den Nutzen des neuen Terrorismus-Gesetzes:
Beispiel 1: Eltern melden an Behörden: Ihr jugendlicher Sohn besuche einen Box-Club, verbringe Stunden im Internet, äussere sich negativ über die Schweiz. Die Gewaltpräventionsstelle lädt ihn zu Gesprächen ein. Er macht nicht mit, sympathisiert mit dem Dschihad, zieht zu einem Kollegen. Dieser ist im Netz mit dschihadistischen Posts aufgefallen. Die Behörden schätzen ihn als gefährlich ein, rechnen damit, dass auch der Junge Propaganda verbreiten oder Gewalttaten verüben wird.
Ahmed Ajil: Das fiktive Beispiel zeigt den Kern der PMT-Problematik: Auf welcher Grundlage basiert diese Einschätzung, wenn eine Person radikale Ideen zu haben scheint, diese aber nicht verbreitet? Das ist Gesinnungsverfolgung und führt unweigerlich zu staatlicher Diskriminierung – primär muslimischer Aktivisten.
Thierry Burkart: Mit dem PMT-Gesetz kann die Polizei auf ihn einwirken (Pflicht zu Gesprächen, Kontaktverbot) und so Perspektiven ausserhalb der dschihadistischen Ideologie aufzeigen, Straftaten verhindern.
Beispiel 2: Erwachsene lernen sich im Netz kennen und teilen linksradikale Ansichten. Sie posten solche Inhalte.
Ahmed Ajil: Wenn die Inhalte Gewaltdarstellungen beinhalten, so sind sie strafrechtlich belangbar. PMT wären nicht nötig, könnten aber eingesetzt werden.
Thierry Burkart: Das wäre keine terroristische Aktivität, sondern Meinungsäusserungsfreiheit.
Beispiel 3: Klimaaktivistinnen und -aktivisten radikalisieren sich. Nach Farbanschlägen auf Grosskonzerne wollen sie Flughäfen mit Drohnen und Sitzstreiks lahmlegen.
Ahmed Ajil: Wird der öffentliche Verkehr gestört, kann ein Strafverfahren eröffnet werden. Die Behörden könnten es vorziehen, PMT anzuwenden.
Thierry Burkart: Das destabilisiert weder die Schweiz, noch führt es zu einem Klima von Angst und Schrecken. Die Aktivistinnen und Aktivisten müssen aber mit einer Anzeige rechnen (Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Störung des öffentlichen Verkehrs).
Beispiel 4: Nach Brandanschlägen auf Asylzentren verlässt eine Frau den Strafvollzug endgültig. Im Folgejahr beschafft sie Stoffe, um Sprengsätze zu bauen.
Ahmed Ajil: Wer solche Stoffe für Anschläge beschafft, macht sich strafbar (Strafverfahren). Um ein Strafverfahren zu vermeiden, können die Behörden zuerst die PMT anwenden.
Thierry Burkart: Damit macht sie sich strafbar.
Beispiel 5: Nach Hasspredigten und Verbreiten von terroristischen Inhalten verlässt ein Mann den Strafvollzug. Monate später erhält der Nachrichtendienst des Bundes einen Tipp aus Deutschland: Der Mann habe einen Hassprediger besucht. Dazu stellt die Polizei fest, er sucht Kontakt zu radikalisierten Jugendlichen. Diese scheint er für den Dschihad gewinnen zu wollen.
Ahmed Ajil: Jede Sympathiebekundung für eine dschihadistische Gruppierung ist strafbar (Strafverfahren). Auch PMT könnten ergriffen werden.
Thierry Burkart: Die PMT können erstens die Jugendlichen vor negativen Einflüssen des Predigers schützen (z. B. Kontaktverbot). Zweitens kann es weitere terroristische Straftaten des Mannes verhindern und dazu beitragen, ihn gesellschaftlich zu integrieren (Ausreise-, Kontaktverbot, Pflicht zur Gesprächsteilnahme). Es könnte aber auch ein neues Strafverfahren eröffnet werden.