Ob geimpft oder getestet: Covid-Zertifikate sollen grundsätzlich gratis sein. So hat es der Bund festgelegt: «Gemäss Artikel 11 der Covid-19-Verordnung Zertifikate sind die Ausstellung und der Widerruf von Zertifikaten für den Antragssteller kostenlos», bestätigt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf Anfrage des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso».
Dem Patienten darf nichts verrechnet werden.
Und die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich doppelt nach: «Dem Patienten darf nichts verrechnet werden.» Ausnahme: Wenn jemand wiederholt ein Zertifikat beantrage – weil er es verloren hat, zum Beispiel.
Bei rückwirkend ausgestellten Zertifikaten: 8.30 Franken
Eine weitere Ausnahme ist das rückwirkende Ausstellen von Zertifikaten für Leute, die sich vor dem 30. Juni haben impfen lassen, also bevor es die Zertifikate gab. In diesen Fällen könne eine Praxis oder eine Apotheke den Kundinnen und Kunden eine Pauschale von 8.30 Franken verrechnen, sagt eine Sprecherin der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH). Dies sei aber eine Übergangsregelung gewesen, die bis Ende August 2021 befristet war.
Der Rest des Aufwands für die Impfung, Beratung und das Zertifikat wird über eine Pauschale des Bundes abgegolten. Sie beträgt zurzeit laut FMH für Arztpraxen 24.50 Franken pro Impfung, ab Oktober soll dieser Betrag auf 16.50 Franken herabgesetzt werden.
Mondpreis und Inkassodrohung
Nun erhalten eine «Espresso»-Hörerin aus dem Kanton Zürich und ihre Familie von ihrer langjährigen Hausärztin gleichwohl gesalzene Rechnungen über 85 Franken pro Zertifikat. Die Frau, ihre zwei Schwestern und die Mutter haben sich im April impfen lassen. Ende Juni erhielten sie ihr Zertifikat. Als die Patientin eine Begründung für den Mondpreis verlangt, reagiert die Praxis schriftlich mit einer Inkassodrohung. «Eine sehr unprofessionelle Reaktion», findet die Kundin.
Sie sei auch enttäuscht von ihrer Hausärztin – nicht zuletzt, weil die Familie schon seit über zwanzig Jahren diese Praxis aufsuche. Und überdies seien weder sie noch ihre Mutter und die Schwestern vorab über die hohen Kosten informiert worden.
Storno «ohne Präjudiz»
«Espresso» hakt nach und erhält gute Nachrichten. Die selbstständig tätige Ärztin teilt schriftlich mit: «Ich verzichte für alle Mitglieder der Familie einmalig und ohne Präjudiz definitiv auf die von mir erhobene Gebühr von 85 Franken für das Covid-Zertifikat und werde deshalb diese Rechnungen stornieren.»
Diese Entscheidung habe sie aber nicht aufgrund der Faktenlage getroffen, die sei ihr bekannt, sondern allein deshalb, weil die Familie schon lange ihre Praxis aufsuche.
Hausärztin: Aufwand decken
Doch wenn sie die Fakten kennt, warum erhebt sie eine derart hohe Gebühr? Um den immensen Aufwand zu decken, den sie als selbstständige Ärztin habe, um ein Covid-Zertifikat zu erstellen. Die vorgesehene Entschädigung von 8.30 Franken sei «ein Witz». Das decke bei weitem nicht die Kosten, die ihrer Praxis anfallen würden.
Auch sonst erhält die Praxis keinerlei Abgeltung vom Staat. Grund: Sie arbeite «ohne vertraglich eingegangene Verpflichtungen mit dem Bund, dem Kanton oder irgendwelchen Krankenkassen betreffend der Impfpauschale und des Covid-Zertifkats.» Auch der Internet-Impfplattform «Vacme», welche die Zertifikate ausstellt, habe sich nicht angeschlossen.
Die Hausärztin sagt, sie informiere alle ihre Patientinnen und Patienten über die Kosten des Zertifikats. Die «Espresso»-Hörerin bleibt dabei: Das sei nicht der Fall gewesen.