Die besten Uhren kommen seit vielen Jahren aus der Westschweiz. 1997 wurde am Observatorium Neuenburg eine Atomuhr konstruiert, die in 30 Millionen Jahren gerade mal eine Sekunde verliert.
Das Labor auf einem Chip
Vor einem Vierteljahrhundert brauchte es dazu ein ganzes Physiklabor: Linsen, Spiegel, eine Heizung, eine Glaszelle und ein Laser verteilt auf zwei Tischen. In einem ersten Schritt wurde diese Anordnung so weit geschrumpft, dass sie in einem GPS-Satelliten Platz fand, denn: Für Navigationsgeräte auf der Erde braucht es präzise Uhren am Himmel.
Doch es geht noch kleiner. 14 europäische Universitäten und Unternehmen haben im Rahmen eines EU-Projektes gemeinsam eine Atomuhr auf einem Chip entwickelt.
Projektleiter Jacques Haesler vom Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) in Neuenburg zeigt das Resultat: ein Plättchen, mit rund vier Quadratzentimeter etwas grösser als ein Daumennagel, und etwa 5 Millimeter hoch. Dieser Chip sei etwas ganz anderes als die Chips in unseren Handys, so der Wissenschaftler: «Das ist ein ganzes Physiklabor auf einem Chip.»
Günstige Backup-Lösung
Die Mini-Atomuhr läuft nicht so präzise wie die grossen Vorfahren: Bereits nach 3'000 Jahren weicht sie um eine Sekunde ab. Für einen GPS-Satelliten ist das zu wenig genau.
Der neue Chip ist aber interessant für andere Branchen, die auf präzise Zeitmessung angewiesen sind – für die Betreiber von Mobilfunkanlagen oder von Stromnetzen, zum Beispiel. Sie beziehen präzise Zeitangaben aus dem Funksignal der GPS-Satelliten und profitieren so von deren teuren Atomuhren. Die Chip-Uhr könnte schon bald helfen, den Ausfall eines Satelliten zu überbrücken – als günstige Backup-Lösung.
Die Mini-Atomuhren können aber noch ganz andere Aufgaben übernehmen. In Zukunft kann man mit ihrer Hilfe das menschliche Hirn beobachten.
Von der Uhr zum Tomografen
Atomuhren reagieren sehr sensibel auf Umwelteinflüsse – Temperatur, Druck oder Magnetfelder bringen sie aus dem Takt. Die Forschenden suchten deshalb lange nach Möglichkeiten, wie sie ihre Uhr abschirmen können.
Diese Herausforderung brachte sie auf eine Idee: Wenn man ein Magnetfeld zulässt und den daraus resultierenden Einfluss auf den Zeitverlauf berechnet, dann wird aus einer Atomuhr ein sensibler Sensor, mit dem sich kleinste Magnetfelder messen lassen. So wurde aus einem Fehler ein Feature mit grossem Potenzial.
Die Mini-Atomuhren-Sensoren könnten in Zukunft die grossen Tomografen ersetzen, mit deren Hilfe man ins Gehirn schauen kann. Statt in die laute, enge Röhre müsste man sich bloss noch einen Helm überziehen, auf dessen Oberfläche die Sensoren angebracht sind. An weiteren Messgeräten wird gearbeitet.