Thomas Müller* (Name geändert) aus Rheinfelden AG verunfallte vor gut drei Jahren bei der Arbeit. Er verletzte sich an der Schulter und zwar so schwer, dass er nicht mehr wie vorher arbeiten konnte. Erst kam er zur Unfallversicherung Suva, später dann zur Invalidenversicherung.
Dort wurde er im März dieses Jahres zu einer medizinischen Untersuchung aufgeboten. In dieser mehrstündigen Untersuchung klärte ein Arzt der Invalidenversicherung ab, ob und wie viel Müller noch weiterarbeiten könnte. Ein Standardprozeder bei der IV.
«Falls Sie Erfolg haben...»
Doch was dann passierte, lässt auch erfahrene Sozialversicherungsanwälte wie den Basler Anwalt Markus Schmid sich die Augen reiben. Nach der Untersuchung schickte der IV-Arzt dem Patienten nämlich ein Gutachten, das dieser bei seiner Unfallversicherung einreichen könne. Damit habe er gute Aussichten auf Schmerzensgeld, eine so genannte Integritätsentschädigung. Dazu ein Begleitschreiben: «Falls Sie Erfolg haben, könnte ich mir vorstellen, dass Sie mir zehn Prozent als Honorar zukommen lassen.» Angefügt die IBAN-Nummer des privaten Bankkontos des IV-Arztes.
Für Anwalt Markus Schmid ein «No-Go»: «Es kann nicht sein, dass der IV-Arzt sich seine Arbeit als Angestellter der IV zahlen lässt und sich später dieselbe Arbeit noch einmal bezahlen lassen will - vom Patienten.»
Für die IV-Stelle inakzeptabel
Die IV-Stelle in Aarau erfährt von den Recherchen des Regionaljournals Basel von diesem Vorfall. «Unser Mitarbeiter hat im vorliegenden Fall einen Fehler gemacht, der für uns inakzeptabel ist und nicht mehr vorkommen darf. Als Arbeitgeberin weist die SVA Aargau ihre Mitarbeitenden darauf hin, dass sie keine solchen Doppelrollen einnehmen dürfen. Im vorliegenden Fall liegt ein Fehlverhalten des Arztes vor. Dies hat arbeitsrechtliche Konsequenzen: Er wurde auf seine Pflichtverletzung hingewiesen und wird verwarnt.»
Weiter geht die SVA Aargau nicht, schliesslich habe der IV-Arzt jahrelang stets «tadellos» gearbeitet und er habe dem Patienten in erster Linie helfen wollen. Schliesslich habe der IV-Arzt auch noch eine Erklärung unterschrieben, dass dies ein einmaliger Vorfall gewesen sei. Die IV-Stelle Aargau sucht jetzt aber das Gespräch mit all ihren Ärztinnen und Ärzten, um diese zu sensibilisieren.