Dass die WHO gerade jetzt mehr Transparenz fordert, ist kein Zufall. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass es Proben vom Huanan Tiermarkt in Wuhan gibt, die klar zeigen, dass dort vor drei Jahren nicht nur viel Coronavirus vorhanden war, sondern auch Tiere in Käfigen gehalten oder als Fleisch verkauft wurden, die sich mit dem Virus infizieren und es weitergeben können. Zum Beispiel Marderhunde.
Der Huanan Markt mitten in der Millionenmetropole Wuhan lag im Zentrum des ersten Coronaausbruchs: «Die Fälle, die bekannt sind, lagern sich alle um diesen Markt», sagt der Berner Virologe Volker Thiel. Seit Beginn der Pandemie forscht er am und mit dem Coronavirus.
Zufälliger Datenfund, grosser Erkenntnisgewinn
Nun sind sogenannte Umweltproben aufgetaucht. Die genetischen Daten, die man aus diesen Proben auslesen kann, waren für kurze Zeit online auf dem Forschungsserver GISAID verfügbar, hochgeladen von chinesischen Forschenden des dortigen Seucheninstituts CCDC. Auf dem Server hat sie die französische Forscherin Florence Débarre eher zufällig entdeckt, und dann mit Kolleginnen und Kollegen ausgewertet.
Es würde mich wundern, wenn China nicht selbst wissen will, woher die Infektionen kommen.
Es sind Proben, die vor drei Jahren, direkt nach Ausbruch der Pandemie, im Huanan Markt genommen wurden: Abstriche von Wänden, Käfigen, in Abflüssen, sogenannte Umweltproben. Nun ist klar: China hatte diese aufschlussreichen Daten die ganze Zeit und sie der Welt vorenthalten.
Die WHO reagiert nun in der Fachzeitschrift «Science» ungewöhnlich deutlich, fordert mehr Transparenz, und verurteilt den Mangel daran. «Ich kann mir vorstellen, dass sich die WHO an der Nase herumgeführt fühlt», sagt Thiel. Und weiter: «Es würde mich wundern, wenn China nicht selbst wissen will, woher die Infektionen kommen.»
Man weiss noch immer nicht alles
China ist ein modernes Forschungsland und hat die technischen Möglichkeiten und das Wissen, um mit den richtigen Methoden an der richtigen Stelle nach Informationen zu suchen. Wo sich zu suchen lohnt, ist aus Sicht der Virologie fast schon selbstverständlich. Thiel sagt: «Ich kann es nicht sicher wissen, aber ich denke, man hat neben diesen noch weitere Proben genommen, von denen wir noch nichts wissen.»
An lebenden Tieren auf dem Markt etwa, auf Farmen im Umland der Stadt. Thiel: «Und wenn die Vermutung besteht, dass das Virus auf gewissen Farmen war: Wie ist es dann dorthin gekommen?» Verbindungen zu den wild lebenden Tieren müssten aufgeklärt werden, so Thiel weiter.
Ich kann mir vorstellen, dass die WHO sehr enttäuscht ist.
Die WHO betont nun zumindest zwischen den Zeilen, dass China kaum noch so tun könne, als gäbe es zu allen diesen naheliegenden Orten und Zeitpunkten keinerlei relevanten Proben. «Es ist schon ungewöhnlich deutlich. Und ich kann mir auch vorstellen, dass die WHO sehr enttäuscht ist. Man hat wohl gedacht, dass China relativ offen ist», so Thiel. Dies scheint allerdings doch nicht der Fall zu sein.
«Das Virus war dort»
Die WHO betont auch, dass noch zentrale Details fehlen zur Arbeit, die am Wuhan Institute of Virology gemacht wird. Die Aufforderung an China, transparent mit anderen Ländern und der WHO zusammenzuarbeiten, zielt also auf beide möglichen Ausgangspunkte für die Pandemie: den Markt und das Labor.
Der aktuelle Wissensstand lässt sich indessen so zusammenfassen: «Wir haben die klare Evidenz, dass das Virus auf diesem Markt war. Ebenso weiss man, dass die Tiere, die für das Virus empfänglich sind, auch dort waren», sagt der Virologe Thiel.